Ringen um den Green Deal Europa, saubere Energie und das nötige Geld

Brüssel · Beim EU-Gipfel wird nicht nur um den Green Deal und die Finanzen gerungen – sondern auch um die Kernkraft als Lösungsweg.

Geradezu idyllisch wirkt diese Landschaftsaufnahme im Morgenlicht, mit Windkraft-Anlagen am Horizont. Ein Sinnbild für die grüne Zukunft, die sich die neue EU-Kommission vorstellt. Doch beim EU-Gipfel in Brüssel gibt es Streit über den Weg dorthin. Polen, Tschechien und Ungarn pochen darauf, dass es ohne Kernkraft nicht gehen wird. Das passt anderen gar nicht.

Geradezu idyllisch wirkt diese Landschaftsaufnahme im Morgenlicht, mit Windkraft-Anlagen am Horizont. Ein Sinnbild für die grüne Zukunft, die sich die neue EU-Kommission vorstellt. Doch beim EU-Gipfel in Brüssel gibt es Streit über den Weg dorthin. Polen, Tschechien und Ungarn pochen darauf, dass es ohne Kernkraft nicht gehen wird. Das passt anderen gar nicht.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/Tobias Barth

Ein bengalisches Feuerwerk an der Fassade der Brüsseler EU-Kommission, ein Banner mit der Aufschrift „Klimanotstand“ – Greenpeace-Aktivisten hatten am Donnerstag dafür gesorgt, dass die Staats- und Regierungschefs nicht übersehen konnten, wozu sie hergekommen waren. Auch drinnen wurde es deutlich. „Die globale Erwärmung schreibt uns vor, was wir zu tun haben,“ bemühte sich die neue Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, ihren Green Deal vom Vortag zusammenzufassen. „Ich hoffe auf starke Unterstützung.“ Eine Einigung auf Klimaneutralität in der EU bis 2050 wäre ein „starkes Zeichen“, betonte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Ich hoffe, dass es gelingt.“ Ähnlich äußerten sich fast alle Staatenlenker. Tatsächlich waren es nur 25 der 28 Mitgliedstaaten, die schon vor der abendlichen Diskussion ihre Entschlossenheit zur Klimaneutralität bekundeten. Und prompt begannen die Meinungsverschiedenheiten.

Denn auf dem Weg zu einer CO2-freien Zukunft stolperte die Gemeinschaft über ein Thema, das die Kommission gerne rausgehalten hätte: die Kernkraft. „Ohne Atomenergie erreichen wir die Klimaneutralität nicht“, sagte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis. Polen, Tschechien und Ungarn fürchten die gewaltigen Umstiegskosten auf erneuerbare Energien, selbst mit der im Green Deal vorgesehenen Subventionierung aus Brüssel. „Atomstrom ist eine saubere Energie ohne Emissionen“, sagte Babis. „Ich weiß nicht, warum manche Länder damit ein Problem haben.“ Unterstützung kam vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Verständnis für jene Länder forderte, die zur Erreichung der Klimaziele wieder auf Kernenergie setzen. Und der dabei sicher auch den eigenen Energiemix zu Hause im Blick hatte. Frankreich bezog 2018 rund 72 Prozent seines Strombedarfs aus der Atomenergie.

Dass der Gipfel sich schwertun würde, war absehbar – zumal die gewaltigen Investitionen für die ökologisch-ökonomische Revolution noch nicht absehbar sind. Von der Leyen hatte am Mittwoch von rund 260 Milliarden Euro gesprochen, die jährlich fällig würden. Dabei ist zwölf Monate, bevor eine Einigung über den Finanzrahmen der EU ab 2021 stehen muss, nicht einmal die Spur eines Kompromisses erkennbar. Die Kommission fordert einen Sieben-Jahres-Etat in Höhe von 1,135 Billionen Euro, das wären 1,114 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Das EU-Parlament, das zustimmen muss, denkt sogar an 1,3 Prozent. Deutschland, Österreich und andere sind zu gerade mal zu einem Prozent bereit. Denn in Berlin hat man nachgerechnet. Durch den Brexit kommen auf Deutschland als größtem Beitragszahler ohnehin zusätzliche Kosten zu. Wegen der gut laufenden Konjunktur muss Berlin dazu tiefer in Tasche greifen, weil sich der Beitrag nach dem BIP bemisst. Macht zusammen pro Jahr netto 30 Milliarden Euro aus dem Bundesetat, bisher waren es 13,5. Ohne Einigung in der Geld-Frage kann von der Leyen aber keine Klimaschutz-Pakete schnüren, weil sie nicht weiß, wie viel sie zur Verfügung hat. Die Dinge hängen zusammen. Und so war am Abend nach der ersten Arbeitssitzung noch nicht klar, ob die Nacht dem Gipfel einen Durchbruch oder ein Scheitern bringen würde.

Nur in einem Punkt zeigten sich die Staats- und Regierungschefs schon vorab erleichtert: Nach vielen vorigen Treffen war es der erste EU-Gipfel, bei dem das Thema Brexit – am Tag der Wahl auf der Insel – nicht im Mittelpunkt stand.

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