Umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 kann weitergebaut werden

Brüssel · Frankreich drohte das Gaspipeline-Projekt zu blockieren. Ein deutsch-französischer Kompromiss hat das Vorhaben nun gerettet.

Im Verlegeschiff „Audacia“ werden Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2 verschweißt und auf dem Grund der Ostsee verlegt. 600 Kilometer Rohre liegen schon.

Im Verlegeschiff „Audacia“ werden Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2 verschweißt und auf dem Grund der Ostsee verlegt. 600 Kilometer Rohre liegen schon.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

„Diesen Tag finde ich gut“, zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel erleichtert. „Er wäre ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit so nicht erfolgt.“ Tatsächlich war es ein kurzfristig zustande gekommener Kompromiss zwischen Paris und Berlin, der den drohenden Baustopp der 1200 Kilometer langen Gas-Pipeline aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland abgewendet hat. Die EU-Botschafter mussten am Freitag über eine Reform der europäischen Gas-Richtlinie beraten. Sie legt fest, dass der Betrieb einer Pipeline nicht in den Händen des Unternehmens liegen darf, das auch den Rohstoff liefert. Allerdings gibt es bisher keine Bestimmung darüber, wie zu verfahren ist, wenn das Gas aus einem Drittstaat wie Russland kommt. Die Brüsseler Kommission wollte erreichen, dass die EU-interne Regel auch auf solche Geschäfte übertragen wird. Für Nord Stream 2, die schon Ende 2019 in Betrieb gehen und dann jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschland pumpen soll, wäre es das Aus gewesen. Denn bei dem Projekt ist der russische Staatskonzern Gazprom für beides verantwortlich. 600 Kilometer Rohre sind bereits verlegt.

Der Kompromiss sieht vor, dass die Zuständigkeit für Leitungen aus Drittstaaten bei dem Land liegen, wo die Rohre auf das Gebiet der EU treffen – im konkreten Fall ist das die Bundesrepublik. Sie muss die Einhaltung der EU-Gesetze für den Energiebinnenmarkt sicherstellen. Außerdem sollen für bereits begonnene oder bestehende Pipelines Ausnahmen gelten. Die Einigung war eine Überraschung, denn Nord Stream 2 gilt als heftig umstritten. Zu den Gegnern gehören vor allem die Ukraine und Polen, die an den Durchleitungsgebühren der bisherigen Pipeline gut verdienen. Die USA hatten das Vorhaben ebenfalls scharf kritisiert. Zum einen, weil damit die Abhängigkeit Europas von russischem Gas verstärkt werde. Zum anderen sieht man darin aber auch eine Konkurrenz zum eigenen Gas-Geschäft mit der EU. Überraschend hatte sich, zumindest inoffiziellen Meldungen zufolge, auch Frankreich in den vergangenen Tagen gegen Nord Stream 2 ausgesprochen, war aber doch umgeschwenkt.

Dennoch verstummt die Kritik nicht. „Das ist ein ganz fauler Kompromiss“, sagte der außenpolitische Experte der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Elmar Brok. „Wir müssen doch sehen, dass wir künftig zu 50 Prozent von russischem Gas abhängig sind. Wenn wir dann noch aus der Braunkohle aussteigen, wird diese Abhängigkeit eher noch größer als kleiner.“ Sein Hauptvorwurf richtet sich aber gegen das russische Staatsunternehmen Gazprom: „Dieser Konzern hat auf dem europäischen Markt mehr Rechte als jedes andere Unternehmen“, sagte Brok. „Er darf produzieren, liefern, vermarkten und verkaufen – und Europa schneidet seine Regeln auf diesen Konzern zu. Das ist nicht zu akzeptieren.“

So bleibt unsicher, ob die aktualisierte Gas-Richtlinie der EU tatsächlich noch vor der Europawahl im Mai beschlossen werden kann. Vor dem Kompromiss galt eine Zustimmung des EU-Parlaments als Formalie. Experten in Brüssel erwarten aber jetzt harte Auseinandersetzungen. Vor allem die östlichen EU-Mitglieder befürchten, dass sie dem russischen Druck ausgeliefert sind. Schließlich habe Moskau gegenüber der Ukraine schon mehrfach gezeigt, dass man nicht vor einer Politik mit dem Gashahn zurückschrecke, betonten EU-Abgeordnete aus dem Baltikum. 2005 und 2009 hatte Gazprom die Belieferung der Ukraine zeitweise eingestellt und damit auch die EU getroffen.

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