Karikaturen-Streit Erdogan, Macron und ein Konflikt, der Kreise zieht

Paris · Zwischen Frankreich und der Türkei fliegen seit dem Wochenende die Fetzen. Und der türkische Präsident legte am Montag nochmal nach. Im Streit nach kritischen Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Islam rief Recep Tayyip Erdogan seine Landsleute zum Boykott französischer Produkte auf.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zum Boykott französischer Waren aufgerufen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zum Boykott französischer Waren aufgerufen.

Foto: dpa/Uncredited

„Von hier aus appelliere ich nun an mein Volk: Beachtet französische Marken bloß nicht, kauft sie nicht“, sagte Erdogan am Montag. Auch in anderen islamisch geprägten Ländern protestieren die Menschen. Unter anderem in Jordanien, Kuwait und Katar hatten nach den Aussagen Macrons zu Mohammed-Karikaturen und Pressefreiheit am Sonntag Händler französische Waren aus ihren Regalen genommen.

Es ist ein Konflikt, der Kreise zieht, am Montag auch Berlin und Brüssel empörte und das ohnehin schwierige Verhältnis der EU zur Türkei einer neuen Belastungsprobe unterzieht.

Ausgangspunkt des Streits um demokratische Werte auf der einen und den Vorwurf der Islamfeindlichkeit auf der anderen Seite ist eine Rede Macrons bei einer Gedenkfeier zu Ehren des getöteten Lehrers Samuel Paty. Dieser hatte Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt und war deswegen auf offener Straße enthauptet worden. Die islamische Tradition verbietet es, den Propheten abzubilden. Nicht zum ersten Mal wurde ein Protest dagegen zu tödlicher Gewalt.

Macron sagte bei der Zeremonie am Mittwoch, Paty habe die Meinungsfreiheit verteidigt. Diese Worte griff Präsident Erdogan auf und spottete. „Was für ein Problem hat diese Person namens Macron mit dem Islam und Muslimen?“, fragte der türkische Präsident bei einer Veranstaltung am Samstag. Dann bezeichnete er Macron als einen Krankheitsfall, der in psychologische Behandlung gehöre. Paris rief aus Protest seinen Botschafter aus Ankara zurück – ein bislang einmaliger Vorgang.

Macron verteidigte dann am Sonntagabend seine Position zur Meinungsfreiheit auf Twitter. Hassrede werde nicht akzeptiert. „Wir werden immer auf der Seite der Menschenwürde und der Grundwerte stehen.“ Macron verbreitete die Botschaft auch auf Arabisch und Englisch. „Unsere Geschichte ist die des Kampfes gegen Tyrannei und Fanatismus. Wir werden weitermachen“, schrieb er dazu noch auf Französisch.

Die Stimmung zwischen Frankreich und der Türkei ist schon seit Monaten schlecht. So warf Macron der türkischen Regierung unter anderem massive Einmischung in den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Südkaukasus-Region Berg-Karabach vor. Auch hat Macron im Konflikt um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeerraum scharfe Warnungen an Erdogan gerichtet.

Rückendeckung erhielt der französische Präsident aus der EU. Chefdiplomat Josep Borell rief die Türkei auf, „diese gefährliche Spirale der Konfrontation zu stoppen“. Auch die deutsche Regierung verurteilte die Aussagen Erdogans. „Das sind diffamierende Äußerungen, die ganz und gar inakzeptabel sind“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts wies darauf hin, dass auch Außenminister Heiko Maas (SPD) „großes Verständnis“ für die Haltung Macrons geäußert habe. Maas hatte die Äußerungen Erdogans ebenfalls als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet.

Einen ersten Verlierer scheint es in diesem Streit schon zu geben: die Türkei. Angesichts der Spannungen sank der Kurs der Lira auf ein neues Rekordtief. Am Montagfrüh wurden 8,03 türkische Lira für einen US-Dollar gehandelt, 9,52 Lira für einen Euro. Seit Beginn des Jahres hat die Währung damit 26 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren.

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