Antisemitismus weit verbreitet

Berlin. Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland ist "latent antisemitisch" eingestellt. Zum Teil aus schlichter Unkenntnis über die Juden, zum Teil aber auch mit aggressivem Vorsatz. Das geht aus der Analyse eines unabhängigen Expertenkreises im Auftrag des Bundestages hervor. Der Bericht wurde gestern in Berlin vorgestellt

Berlin. Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland ist "latent antisemitisch" eingestellt. Zum Teil aus schlichter Unkenntnis über die Juden, zum Teil aber auch mit aggressivem Vorsatz. Das geht aus der Analyse eines unabhängigen Expertenkreises im Auftrag des Bundestages hervor. Der Bericht wurde gestern in Berlin vorgestellt. Das Expertengremium war vom Parlament im Jahr 2008 eingesetzt worden, als sich die Pogromnacht zum 70. Mal jährte.Der Antisemitismus in Deutschland hat viele Gesichter. Schlachtrufe in Fußballstadien ("Auschwitz ist wieder da") gehören genauso dazu wie das besonders auf Schulhöfen verbreitete Schimpfwort "Jude". Nach Einschätzung von Elke Gryglewski vom Haus der Wannseekonferenz handelt es sich keineswegs um ein Randphänomen. Ein Beispiel für Antisemitismus ist nach ihrer Beobachtung auch, wenn Leute bei der Besichtigung der Ausstellung über die Planungen zur Tötung eines ganzen Volkes meinten, dass "die Juden" das Gleiche nun mit den Palästinensern machten.

Der gefährlichste Ausdruck antisemitischer Einstellungen sind offene Gewalttaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen sowie Delikte, die den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Laut Expertenbericht trägt das rechtsextremistische Lager dafür die Hauptverantwortung mit mehr als 90 Prozent aller antisemitischen Straftaten. Während der Antisemitismus im rechtsextremen Spektrum zur ideologischen Grundausstattung gehört, sei das bei den Linksextremisten "eindeutig nicht der Fall". Allerdings gebe es auch dort Positionen, die einen antisemitischen Diskurs befördern. Das gelte vor allem für die Kritik an Israel, die häufig durch eine leichtfertige Infragestellung seiner Existenzberechtigung geprägt sei. Im Vorjahr waren Vertreter der Linkspartei mit solchen Vorwürfen konfrontiert gewesen.

Ein weiterer Träger des Antisemitismus ist nach Einschätzung des Wissenschaftlers Peter Longerich der Islamismus. Für sämtliche der vom Verfassungsschutz mit 29 Einzelorganisationen und 37 400 Anhängern bezifferten islamistischen Gruppen in Deutschland sei der Antisemitismus ein grundlegender Bestandteil ihrer Ideologie. Doch gebe es noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, wie stark der Antisemitismus unter den Muslimen insgesamt verbreitet ist. vet

Foto: Zinken/dapd

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