Gaza-Konflikt schürt Judenhass auf deutschen Straßen

Deutschland im Juli 2014, Kassel zum Beispiel: Bei einer Demonstration gegen Israels gewaltsames Vorgehen im Gazastreifen wird "Scheiß Juden " geschrien, immer wieder. Oder Frankfurt. Dort werden, aus gleichem Anlass, Plakate wie "Ihr Juden seid Bestien" durch die Straßen getragen.

Oder Berlin. Auf dem Ku'damm erklingt in brutaler Lautstärke hundertfach der Chor: "Jude, Jude, feiges Schwein - komm heraus und kämpf allein."

Der jüngste Krieg im Nahen Osten sorgt dafür, dass auch in deutschen Städten antisemitische Parolen der übelsten Art skandiert werden. Damit nicht genug: Mitten in Berlin, auf dem Boulevard Unter den Linden, wurde am Samstagabend ein Paar von pro-palästinensischen Demonstranten verfolgt. Der Mann hatte den Fehler begangen, sich mit einer Kippa auf dem Kopf als Jude zu erkennen zu geben. Der Präsident des Zentralrats der Juden , Dieter Graumann, meint dazu: "Niemals im Leben hätte ich mir vorgestellt, dass wir so eine Hetze gegen Juden in Deutschland wieder hören könnten." Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman findet sogar: "Sie verfolgen Juden in den Straßen Berlins, als ob wir uns im Jahr 1938 befinden." Damals, soviel zur Erinnerung, wurden in den November-Pogromen Hunderte Juden von Nazis ermordet oder in den Tod getrieben. Über solche historischen Vergleiche lässt sich diskutieren. Was unbestritten ist: Das Ausmaß an Judenhass hat viele überrascht. Auch bei früheren Nahost-Konflikten gab es neben gewiss berechtigter Kritik an Israel Proteste mit übler Tonart. Im Unterschied zu früher sind neben Neonazis und extremen Linken jetzt jedoch deutlich mehr Einwanderer auf den Straßen unterwegs, Islamisten auch. Den Spruch "Allahu akbar" ("Gott ist groß") hörte man auf Kundgebungen früher eher selten.

Nach verschiedenen Studien ist etwa jeder fünfte Deutsche latent antisemitisch und längst nicht nur Ältere, auch die "Generation Facebook". Der Historiker Christian Hardinghaus meinte kürzlich: "Wenn ich junge Leute befrage, sagen 30 Prozent, dass sich die Juden charakterlich von anderen Menschen unterscheiden. Und genannt werden fast nur negative Eigenschaften wie Geldgier, Geiz oder Arroganz." Auf vielen deutschen Schulhöfen gehört das Schimpfwort "Du Jude" heute zum Allgemeingut.

Im Gegensatz dazu steht die offizielle Sprachregelung der deutschen Politik, wonach das Existenzrecht Israels "Teil deutscher Staatsräson" (Angela Merkel) ist. Außenminister Frank-Walter Steinmeier stellte gestern mit seinen Kollegen aus Frankreich und Italien klar: "Antisemitische Hetze und Anfeindungen gegen Juden , Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens und Synagogen haben in unseren Gesellschaften keinen Platz. Nichts, einschließlich der dramatischen militärischen Konfrontation in Gaza, rechtfertigt ein solches Handeln bei uns in Europa."

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