Späte Aussöhnung mit einem dunklen Kapitel

Nantes. Fast 2000 Schiffe waren es, die mit menschlicher Fracht beladen von der beschaulichen Loire-Stadt Nantes ablegten Richtung Südamerika oder Antillen. "L'Aurore" (Morgenrot) oder "La Légère" (die Leichte) hießen sie. Doch idyllisch waren nur ihre Namen, nicht ihre Mission: Sie dienten dem Transport von Sklaven.Zwischen dem 17. und Mitte des 19

Nantes. Fast 2000 Schiffe waren es, die mit menschlicher Fracht beladen von der beschaulichen Loire-Stadt Nantes ablegten Richtung Südamerika oder Antillen. "L'Aurore" (Morgenrot) oder "La Légère" (die Leichte) hießen sie. Doch idyllisch waren nur ihre Namen, nicht ihre Mission: Sie dienten dem Transport von Sklaven.Zwischen dem 17. und Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Nantes zu Frankreichs zentraler Drehscheibe des Menschenhandels: 43 Prozent der Verschiffungen des Landes wurden hier abgewickelt. Insgesamt 450 000 Männer, Frauen und Kinder gelangten aus Afrika über den Hafen in Nantes in die Neue Welt, um auf Baumwoll-, Zucker- oder Kaffeeplantagen zu arbeiten. Sie trugen keine Namen mehr, sondern Nummern, vermerkt in Handelsbüchern, wie es auch beim Verkauf von Möbeln üblich war.

Sklavenhandel in Nantes gehört der Vergangenheit an - und auch wieder nicht. Denn ohne ihre Vergangenheit als bedeutender Industrie- und Kolonialhafen wäre die westfranzösische Stadt heute wohl nicht die wohlhabende Regionalmetropole, die sie ist. Einer Vergangenheit, der sie sich nun vollends stellt: Kürzlich wurde am Ufer der Loire ein Denkmal zur Abschaffung der Sklaverei eröffnet: Fast 7000 Quadratmeter groß, erstreckt es sich auf zwei Ebenen, mit einer Promenade, in die Glasplatten mit Namen und Abfahrtsdatum der Schiffe eingelassen sind, und einer unterirdischen Passage mit Mauerschrägen, die Gedichte, Gedanken oder Schlagworte in 40 Sprachen tragen: "Liberté - Liberty - Freiheit".

Maßgeblich vorangetrieben hat das Mahnmal - übrigens eine Premiere in Europa - ein Mann, der für die Modernisierung von Nantes in den vergangenen Jahrzehnten hauptverantwortlich ist: Jean-Marc Ayrault, Bürgermeister der Stadt seit 1989 und neu ernannter Premierminister.

Unumstritten schien das Denkmal, das von den Künstlern Krzysztof Wodicko aus Polen und Julian Bonder aus Amerika entworfen wurde, lange nicht. "Dabei gehört dieses schwarze Kapitel dazu, um unsere Geschichte zu verstehen", sagte Ayrault bei der Eröffnung. Die Einweihung markierte das Ende jahrelanger Diskussionen. Viele hatten die Kosten von fast sieben Millionen Euro kritisiert. Unterschwellig spielte aber auch die jahrhundertelange Tabuisierung des Menschenhandels eine Rolle. "Jahrelang hat die ganze Region profitiert", erklärt die Kuratorin Marie-Hélène Jouzeau. Kirche wie Staat stützten den Sklavenhandel ausdrücklich; ethische Bedenken spielten bis Ende des 18. Jahrhunderts kaum eine Rolle. Erst 1848 wurde die Sklaverei abgeschafft.

Das Mahnmal erlaubt eine Reise in die Vergangenheit - die in der Gegenwart nicht endet. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen die Zahl der Menschen, die auch heute noch versklavt werden, weltweit auf rund 27 Millionen; weitere 200 Millionen sind Opfer von Zwangsprostitution, -verheiratung oder -arbeit.

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