Benediktiner geben Abtei auf

Weingarten. Pater Anselm Günthör lebt seit 1929 im Kloster Weingarten unweit des Bodensees. Der 98-Jährige musste über die Jahrzehnte mit ansehen, wie die Benediktinergemeinschaft der Abtei schrumpfte. Heute ist Pater Anselm nur noch einer von vier Mönchen, die gemeinsam mit dem Leiter der Abtei, Prior Basilius Sandner, in Weingarten leben

Weingarten. Pater Anselm Günthör lebt seit 1929 im Kloster Weingarten unweit des Bodensees. Der 98-Jährige musste über die Jahrzehnte mit ansehen, wie die Benediktinergemeinschaft der Abtei schrumpfte. Heute ist Pater Anselm nur noch einer von vier Mönchen, die gemeinsam mit dem Leiter der Abtei, Prior Basilius Sandner, in Weingarten leben. Am Freitag wurde eine folgenschwere Entscheidung für die kleine Gemeinschaft verkündet: Fast 1000 Jahre nach ihrer Gründung wird die Abtei Sankt Martin geschlossen. Pater Anselm muss umziehen - nach 80 Jahren. Über seine Empfindungen will er nicht sprechen. "Das ist zu aufregend", sagt Sandner an seiner Stelle.

Bislang versuchte die Gemeinschaft laut Sandner, den klassischen Ablauf einer Benediktinerabtei aufrechtzuerhalten. Mit so wenig Ordensbrüdern "ist es aber schwierig", räumt er ein. Um 6.30 Uhr morgens treffen sich die Mönche erstmals zum Morgenlob, feste Termine wie Arbeitszeiten, Mittagsgebet, Vesper und Abendessen ziehen sich durch den Tag, der mit dem Schlussgebet um 19.30 Uhr endet.

Berühmt durch den Blutritt

"Durch die Trennung von Überflüssigem bleibt uns Zeit und Raum für das Wesentliche", heißt es auf der Homepage. "Ein Leben nach der Regel des Heiligen Benedikt zu führen und Gott und den Menschen zu dienen." Berühmt wurde die im Jahr 1056 gegründete Benediktiner-Abtei auf dem Martinsberg auch durch den Blutritt, die jährliche Wallfahrt zum Heiligen Blut, am Freitag nach Christi Himmelfahrt. Der Blutritt gilt als größte Reiterprozession Europas.

Dass die Abtei nun geschlossen werden soll, rief laut Sandner bei den Mönchen, deren Alter er mit 98, 65, Mitte 40 und Mitte 30 angibt, keine Bestürzung hervor. Die Sache sei von langer Hand geplant und "besprochen" gewesen. Bischof Gebhard Fürst äußerte "tiefes Bedauern über die Entscheidung". Er will nun nach Lösungen suchen, damit auf dem Martinsberg klösterliches Leben "in anderer Form" weiterbestehen kann. Der Orden sei bereit, zumindest für einen begrenzten Zeitraum noch mit der Schließung des Konvents zu warten, um möglichst "einen bruchlosen Anschluss für eine neue Gemeinschaft zu gewährleisten". Sandner hingegen deutet Skepsis an. "Da muss man froh sein, wenn jemand kommt", sagt er.

Die Benediktiner haben eine fast 1000-jährige Tradition in Weingarten. Sie gründeten die Abtei, die im Zuge der Säkularisation 1802 aufgehoben wurde. Im Jahr 1922 wurde sie durch die Beuroner Benediktiner wiederbesiedelt. Sandner fällt der Abschied nicht allzu schwer. Er ist erst seit zwei Jahren Leiter der kleinen Gemeinschaft. Seine Zukunft ist klar: Er kehrt in die Abtei Maria Laach zurück. Zur Zukunft der vier Mönche hingegen hält er sich bedeckt. ddp

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