Plädoyer für einen ungeliebten Krieg

Washington · Er hatte sein Amt mit dem Versprechen angetreten, die Kriege im Irak und in Afghanistan zu beenden. Er wollte weg von der Rolle der USA als "Weltpolizist" und vor allem von den Europäern mehr Krisen-Einsatz einfordern.

Deshalb ist es für US-Präsident Barack Obama ein ebenso schmerzhafter wie heikler Schritt, wenn er heute zur besten Sendezeit - 24 Stunden vor dem Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September - dem Volk seine Strategie zur Bekämpfung des "Islamischen Staates" verkündet. Der Friedens-Nobelpreisträger musste sich zuletzt massive Kritik anhören, nachdem er eingeräumt hatte, noch keinen Plan für die IS-Herausforderung zu haben. Seine Militärberater und das Pentagon mussten in den vergangenen Tagen Überstunden machen, damit der Präsident nun wieder Führungsstärke beweisen kann.

Die Kernpunkte der Ideen des Weißen Hauses sind teilweise bereits durchgesickert. So sollen die Luftangriffe im Irak weitergehen. Ob die USA jedoch in ähnlicher Form auch in Syrien aktiv werden und damit indirekt das ungeliebte Assad-Regime unterstützen, ist weiter unklar. Fortgesetzt werden sollen auch die Waffenlieferungen an die Kurden sowie die militärische Beratung des irakischen Militärs. US-Bodentruppen wird Obama erneut kategorisch ausschließen. Um die Ressourcen des IS zu beschränken, sollen Ölverkäufe erschwert und Konten eingefroren werden. Wobei sich die Frage aufdrängt, ob der IS überhaupt Firmen- oder Personenkonten in den USA unterhält und wie diese ermittelt werden können. Obamas wichtigste Devise lautet: Den Vormarsch der IS-Kämpfer stoppen und einen "Flächenbrand" in der Region verhindern. Der Präsident dürfte sein Land dabei auf einen langen Militäreinsatz vorbereiten. Es könnte drei Jahre dauern, um den IS zu zerstören, heißt es im Weißen Haus.

Diese Einschätzung bietet Obama den Vorteil, bei seinem Ausscheiden in zwei Jahren die IS-Herausforderung an seinen Nachfolger übergeben zu können, ohne für einen erfolgreichen Abschluss der Operationen und eine Eliminierung des IS verantwortlich zu sein. Eine Mitverantwortung hat der US-Präsident ohnehin in die Hände einer "Koalition der Willigen" gelegt, die er beim Nato-Gipfel in Wales schmiedete und zu der auch Deutschland zählt. Was Obama außerdem helfen dürfte: Hatten sich die Amerikaner bis vor wenigen Wochen noch kriegsmüde gezeigt, so hat sich die Stimmung mittlerweile geändert. Vor allem die Enthauptungen von zwei US-Journalisten und die IS-Gemetzel auch an Frauen und Kindern haben dazu geführt, dass eine klare Mehrheit der US-Bürger den IS jetzt als ernsthafte Bedrohung ansieht und Luftschläge im Irak , aber auch in Syrien unterstützt.

Angesichts dieses Schwenks in der öffentlichen Meinung dürfte auch der Widerstand im Kongress gegen eine Ausweitung des US-Engagements nicht allzu groß sein. Gestern zeigte sich Obama jedenfalls ganz als oberster Feldherr - und beriet stundenlang im Weißen Haus mit Kongress-Vertretern das weitere Vorgehen. Erfolge gegen die Dschihadisten könnten ihm helfen, sein Ansehen zu reparieren: Zuletzt betrug seine Zustimmungsquote in der Bevölkerung nur noch 37 Prozent. Die Messlatte für einen Erfolg hat Obama allerdings am Wochenende höher gelegt: Wollte er den IS bisher nur eindämmen, so möchte er ihn nun "besiegen".

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