Historische Zäsur

Der Nato-Gipfel begann überraschend, Überraschungen aber lieferte er nicht. Auch wenn die Staats- und Regierungschefs zum Auftakt ihres Treffens von der Nachricht einer vereinbarten Waffenruhe in der Ukraine überrumpelt wurden, die getroffenen Beschlüsse waren im Großen und Ganzen absehbar.

Trotzdem markiert der Gipfel von Newport eine historische Zäsur. Wladimir Putin sorgte dafür, dass die Allianz eine neue Richtung einschlägt. Oder ist es eine alte? Nach der Annexion der Krim und dem russischen Einmarsch in der Ost-ukraine besinnt sich die Nato auf ihre originäre Aufgabe: die Sicherheit ihrer Mitglieder.

Russland hat sich vom strategischen Partner zu einer Bedrohung der euro-atlantischen Sicherheitsordnung entwickelt. Die Staats- und Regierungschefs schickten deshalb deutliche Worte gen Moskau und ließen ihnen Taten folgen, indem sie den Aufbau einer neuen Krisen-Eingreiftruppe beschlossen sowie einen Aktionsplan, der eine erhöhte Präsenz in Osteuropa vorsieht. Mit diesen Entscheidungen hat die Nato eine Balance gefunden, die allen Seiten gerecht wird.

Das Bündnis konnte seine osteuropäischen Mitglieder beruhigen. Gleichwohl haben sich Merkel, Cameron und Co. nicht von Forderungen nach einer Auflösung der Nato-Russland-Gründungsakte beeindrucken lassen. Die mühsam aufgebaute europäische Sicherheitsarchitektur darf nicht für alle Zukunft über Bord geworfen werden. Eine politische Lösung, wie sie nicht nur die Bundesregierung, sondern die Mehrheit der Nato-Mitglieder anstrebt, muss das einzige Ziel sein. Denn bei dieser Krise geht es um sehr viel mehr als um die Ukraine , der Frieden Europas steht auf dem Spiel.

Auch wenn Russland versucht, 24 Jahre, nachdem der Kalte Krieg Geschichte wurde, Grenzen zu verschieben, muss Putin die Chance gegeben werden, den Rückzug anzutreten. Wurden Werte verletzt? Ja. Regularien übergangen? Auch. Trotzdem hat niemand etwas davon, wenn sich mitten in Europa ein brutaler Konflikt ausbreitet. Die leise Zuversicht auf eine Einigung, die den Nato-Gipfel begleitet hat, lässt hoffen.

Im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat haben zehn Länder, unter anderem die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich, eine Allianz geschmiedet. Ein Schritt, der in seiner Schwammigkeit zu erwarten war. Noch ist völlig unklar, wie das Bündnis vorgehen will. Was für manch einen wie Symbolpolitik aussehen mag, zeugt jedoch von einer positiven Entwicklung: Die Nato-Staaten sehen die Bekämpfung der Gefahr aus dem Irak und aus Syrien als Gemeinschaftsaufgabe an. Das ist richtig. Nur wenn die Welt zusammensteht, kann dem barbarischen Treiben die Stirn geboten werden.

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