Die richtige Antwort auf Präsident Erdogan

Klar, aber nicht beleidigend - so hat Kanzlerin Angela Merkel im Namen der Bundesregierung auf die verbalen Ausfälle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan reagiert. Es wäre völlig falsch, mit einem, der den politischen Anstand und das Recht schon lange mit Füßen tritt, in einen Wettlauf der gegenseitigen Beleidigungen einzutreten. Oder in einen Wettlauf der Verbote. Es blamiert sich der, der gegen Regeln verstößt. Nicht der, der sie einhält.

Auch wenn es schwer verdaulich ist: Man wird es in Deutschland hinnehmen müssen, dass Erdogan selbst oder seine Vasallen hierzulande auf Kundgebungen sprechen. So lange jedenfalls, wie die Gesetze und Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Es gilt das Recht auf Versammlungsfreiheit, es gilt die Meinungsfreiheit. Man wird auch tolerieren müssen, dass das Verfassungsreferendum in türkischen Konsulaten abgehalten wird. Der Reflex "Auge um Auge" kann nicht der einer entwickelten Demokratie sein.

Was die Parteien in Deutschland nun aber jenseits des aufkommenden Wahlkampfs dringend verfassen sollten, ist eine gemeinsame Erklärung gegen Erdogans Absicht, eine Präsidialdiktatur zu errichten. Am besten wäre ein Bundestagsbeschluss. In dem Text müsste stehen, dass so ein System mit Europa ebenso unvereinbar ist wie die beabsichtigte Wiedereinführung der Todesstrafe. Eine solche Erklärung wäre zugleich eine Botschaft an alle Türken innerhalb und außerhalb ihres Landes, besonders an die jungen: Erdogan stiehlt euch die europäische Perspektive eures Landes und damit eure Zukunft. Jedenfalls wenn es eine Zukunft in kultureller Offenheit und Wohlstand sein soll.

Einmischung in innere Angelegenheiten der Türkei? Nun, damit können Leute, die auf deutschem Boden ihre Propaganda verbreiten wollen, kaum argumentieren. Eher wäre so eine Resolution eine - sehr berechtigte - Einmischung in europäische Angelegenheiten, denn es ist für den ganzen Kontinent ein Thema, ob dieses wichtige Land in die Diktatur abrutscht oder nicht.

Klare Handlungen und nicht nur Worte muss man von der Bundesregierung allerdings dort erwarten, wo Erdogan Menschenrechte verletzt. Das gilt für rechtsstaatswidrige Verhaftungen in der Türkei, das gilt für das Vorgehen gegen die Presse und das gilt besonders für die willkürliche Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel. Hier trifft der Justizterror sogar einen deutschen Staatsbürger. Es muss ein absolutes Prinzip sein, dass Deutschland Staaten mit Sanktionen überzieht, die gegen die Rechte eines Deutschen vorgehen und ihn seiner Freiheit berauben. Das kann von diplomatischen Protestnoten über Reiseverbote für türkische Offizielle bis zu wirtschaftlichen Sanktionen gehen. Sollte es irgendetwas geben, das die Bundesregierung daran hindert und sie zu falscher Rücksichtnahme zwingt, so muss sie sich davon schleunigst befreien. Auch wenn es ein Flüchtlingsabkommen ist.

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