Werkbund Saar Handtücher und andere Problemfälle

Saarbrücken · Seit 60 Jahren wirbt der Werkbund im Saarland um eine qualitätvolle Gestaltung des öffentlichen Raums – Klausurtagung an diesem Wochenende.

 Sie haben Problematisches wie auch Potenziale im Blick: Die saarländische Werkbund-Vorsitzende Marlen Dittmann (r.) und ihre Kollegin Beate Kolodziej.

Sie haben Problematisches wie auch Potenziale im Blick: Die saarländische Werkbund-Vorsitzende Marlen Dittmann (r.) und ihre Kollegin Beate Kolodziej.

Foto: Schreiner/SZ/Schreiner

Sollte womöglich jemand Sinn und Nutzen des saarländischen Werkbunds infragestellen, wäre ihm/ihr ein Studieren der federführend vom Werkbund erstellten Dokumentation zum Saarbrücker Pingusson-Bau anzuraten. Die Frage sollte sich anschließend erübrigen. Wer wollte Marlen Dittmann, der Vorsitzenden des sich seit 60 Jahren für eine qualitätvolle Gestaltung des öffentlichen Raums einsetzenden Verbandes, danach noch widersprechen? „Ein Abriss der ehemaligen Französischen Botschaft käme einem Abriss der eigenen Geschichte gleich“, fasst Dittmann, die den Dokumentationsband 2014 maßgeblich erstellt hat, dessen Essenz heute zusammen. Kurz und gut: Das ausdauernde Engagement des Werkbundes für Erhalt und Sanierung des im Volksmund „Schmales Handtuch“ getauften Baus führt dessen Bedeutung sinnfällig vor Augen.

50 Jahre nach der ins Jahr 1907 zurückreichenden Münchner Gründung des Deutschen Werkbundes, war 1957 die der saarländischen Sektion von hiesigen Hochschullehrern betrieben worden – ursprünglich aus Protest gegen die Angriffe rechtsgerichteter Heimatbünde, die Rudolf Bornscheins seinerzeitige Ankaufspolitik für das spätere Saarlandmuseum als modernistisch brandmarkten. Eingemischt hat sich der Werkbund seither immer wieder in regionale Debatten. Wobei es in den vergangenen 20, 30 Jahren überwiegend denkmalpflegerische Themen waren, die ihn auf den Plan riefen. Angefangen von der Kontroverse um Gottfried Böhms Mittelrisalitlösung für das Saarbrücker Schloss über den vergeblichen Werkbund-Kampf für den Erhalt von Peter Behrens’ Saarbrücker Villa Obenauer bis hin zur Fehde um die Alte Bergwerksdirektion, die bekanntlich am Ende in brachialer Weise zur Shopping Mall umgewidmet und dabei lediglich die Fassade erhalten wurde.

Und nun also zuletzt der denkmalgeschützte Pingusson-Bau, für dessen Erhalt sich Marlen Dittmann im Verein mit den 37 übrigen, monatlich tagenden Mitgliedern des von ihr seit 1998 geführten Landesverbandes konstant einsetzt. Dass man sich nicht alleine auf Denkmalpflege kaprizieren wolle, betont die Kunsthistorikerin Beate Kolodziej, Ehefrau von Saarlandmuseum-Direktor Roland Mönig und Vertreterin der jüngeren Generation im Werkbund. Vielmehr ziele der Werkbund darauf, generell Qualitätsstandards im öffentlichen Raum mit abzusichern. Baustellen gebe es da allerorten, konzediert auch Marlen Dittmann. Sie sieht wie Kolodziej in der großregionalen Vernetzung ein lohnendes Aktionsfeld für den Werkbund. Und einen künftigen Schwerpunkt ihrer Arbeit, wie beide betonen.

Dazu passt, dass das nächste Großprojekt des Werkbundes eine Ausstellung unter dem Titel „Resonanzen“ anlässlich des 2018 ausgerufenen „European Cultural Heritage Year“ (ECHY) sein wird – mit dem Ziel, das Saarland als Geburtsstätte der deutsch-französischen Freundschaft zu zeigen. Hier nahm sie in der Nachkriegszeit ihren Anfang. Die Einflüsse der „Franzosenzeit“ auf das zunächst autonome Saarland soll anhand ihrer architektonischen Ausprägungen in Erinnerung gerufen werden – was einmal mehr den Blick auf das Wirken Georges-Henri Pingussons (1894-1978) an der Saar richten wird, aber auch die Historie des französischen Langwellensenders „Europe 1“ in Überherrn, die Plattenbau-Architektur von Raymond Camus und Fred Dietsch sowie herausragende saarländische Kirchenbauten der 50er Jahre einbeziehen wird. 200 000 Euro stellt die Bundeskulturstiftung für das ambitionierte Projekt bereit, bei dem der Werkbund mit dem Landesdenkmalamt, dem Kultusministerium und dem K 8 Institut für strategische Ästhetik der HBKSaar  kooperieren wird. Weitere Sponsoren werden derzeit gesucht, um es zu stemmen.

Pläne für die Zeit danach gibt es natürlich auch. Kolodziej und Dittmann nennen als vorrangig die qualitätvollere Gestaltung des öffentlichen Raums. Weil es da an der Saar Problemfälle zuhauf gibt, ist beiden nicht bange, dass der Werkbund Saar auch in 40 Jahren noch seine Berechtigung haben wird. „Die Utopie einer humanen Kultur der Moderne droht an ihren eigenen Voraussetzungen zu ersticken“, mahnte der saarländische Werkbund bereits vor Jahren vor den destruktiven Folgen eines gesichtslosen Fortschritts. Das gilt auch heute noch.

Morgen (16.30 bis 19.30 Uhr) lädt der Werkbund Saar Interessierte unter dem Titel „Der Werkbund und Europa“ zu einer Klausurtagung in der HBK (Keplerstr. 3-5) ein. Es  gibt mehrere Impulsreferate und eine Diskussionsrunde.

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