Neue Gedichte des aus Saarbrücken stammenden Autors Christopher Ecker Auf der Suche nach Unliebsamkeiten

Saarbrücken · Christopher Ecker, jüngster Kunstpreisträger des Saarlandes, baut in seinem neuen Gedichtband dem Aberwitz ein Museum.

 Christopher Ecker wird am 28. Oktober, seinem 51. Geburtstag, den Kunstpreis des Saarlandes erhalten.

Christopher Ecker wird am 28. Oktober, seinem 51. Geburtstag, den Kunstpreis des Saarlandes erhalten.

Foto: Arne Rautenberg

Heinz Erhardt hat es getan, aber auch bedeutende Romanciers wie Gert Peter Eigner und Peter Handke. Der Gedichtband gehört in jede bessere Schriftsteller-Bibliografie, so wie der Roman zum soignierten Promi. Die Ulknudel Erhardt ließ sich dafür von der Pampelmuse küssen, Handke erteilte in seiner „innenwelt der außenwelt der innenwelt“ der Aufstellung des FC Nürnberg poetische Lizenzen. 2017 legte der zu früh gestorbene Romanautor Gert Peter Eigner mit dem romandicken Gedichtbuch „Mammut“ sein literarisches Vermächtnis vor.

Nun hat auch der Kieler Autor Christopher Ecker einen umfangreichen Gedichtband vorgelegt. Stand „die montage der dienstage“ (2012) noch ganz im Zeichen des Kalauers, behauptet das neue Buch unter dem Titel „›schach‹ dem vollmond“ eine Balance aus Ernst und Komik zu halten. Die Vermutung liegt nah, dass der aus Saarbrücken stammende Romanautor, jüngst zum Träger des saarländischen Kunstpreises ausgerufen, die Täler der realistischen Prosa für ein paar geheimnisumwölkte lyrische Gipfelsiege eingetauscht hätte. Weit gefehlt!

Der geschulte Germanist und Deutschlehrer, der Ecker auch ist, hat es gar nicht nötig, ein Geheimnis um seine Einflussgrößen zu verbreiten. Auf zwei Buchseiten stehen sich gegenüber: der reimende Volks-Entertainer Erhardt und der mittlerweile aus dem kulturellen Gedicht verschwundene Expressionist Albert Ehrenstein, der seinerzeit im Ruf stand, die „bittersten Gedichte deutscher Sprache“ (Kurt Pinthus) verfasst zu haben. Der Versuch, einen populären Ton zu treffen, gleichzeitig aber auch die Kenner zufriedenzustellen, also Entheiligung, Beschwörung und Weihe unter einem Dach zu versammeln, das kann eigentlich nur scheitern.

Dieser Gefahr ist sich Ecker stets bewusst, und er sucht diesem Auseinanderstieben der Verssprache mit allerlei poetologischen Gedichten zu begegnen, die sich auch direkt an die Leserschaft wenden. Dieses grüblerische Selbstkommentieren wird leider schnell zur Masche. Will ein Dichter erklären, warum er sich der für Gegenwartslyrik probaten Kleinschrift bedient („kleinschreib ist großdenk“) oder weshalb er ein Problem mit den Rezeptionsgewohnheiten von Pennälern und dem „rezensentenwesen“ hat, dann wäre ein begleitender Aufsatz das besser auszuleuchtende Forum dafür. Auch den lebensweltlichen Klischees von Lyrik („ich habe keine arbeit/ ich schreibe oft gedichte“) und erst recht von Allyrik („es gibt lyriker die ihren/ alltag in gedichte packen“) hätte wirksamer mit einer Streitschrift begegnet werden können. Was auch dem derzeit hausbackenen Diskurs um Lyrik einen Vitaminschub verpasst hätte. Sprachslapstick ist nachgerade keine willkommene Lockerung der Vers­sprache, sondern bloß Kleinkunst: „herr äh sind diese bücher glutenfrei?/ herr äh sind bücher glutenfrei// sind das überhaupt bücher herr äh?/oder sind sie eine frau äh herr äh?“

Das Zielen auf Dutzendmenschsprech gerät dann nicht zu einer punktgenauen Satire, sondern zu einer unverbindlichen Tirade. Vor allem die Deklaration, dass es sich bei der Gedichtrede um ein ironisches Dauerfeuer handeln könnte („(jetzt wird es leider etwas/ umständlich) IRONIE“), ist linkisch defensiv und kommt dem Banalisieren eines Witzes durch Kaputterklären sehr nahe. Gut die Hälfte der Texte fällt vom Niveau merklich ab und ist überzählig, allen voran die Legion der Lehr- und Lehrergedichte.

Anderes ist dem Gestus der Neuen Subjektivität um Rolf Dieter Brinkmann und den eingangs erwähnten Peter Handke verpflichtet, dessen lyrisch-effektvoller Montage „die drei lesungen des gesetzes“, samt beiseite gesprochener Nebentexte, in Eckers „worüber wir nie mehr sprechen sollten“ ein Reenactment zuteil wird: „die kenntnis des soseins/ fernt das kennen des seins// (applaus)// das transzendierte sosein// (applaus)// ist kein kennen des zukünftig/ seienden// (leichte unruhe)// sondern ein projektives// (alarm)“

Doch es wäre zu harsch, über misslungenen die rundum überzeugenden Passagen wie auch die Stärken des Autors zu vergessen. Ecker besitzt zwei Eigenschaften, die für einen Dichter unabdingbar sind. Zum einen ist da sein Mut zur Produktion von Unliebsamkeiten und Antiidyllen („die backöfen im saarland“, „wenn welde uffenanner pralle“). Zweitens versteht er es zweifellos, die versprochene Balance zwischen Ernst und Komik zu halten. Das kommt am eindrucksvollsten in „kenner me doh“ zum Ausdruck, einem schrill-nihilistischen Zyklus von Dialektgedichten – Ecker erhielt dafür übrigens 2012 einen Literaturpreis seiner Heimatstadt. Darin wird brutalste Gewalt dysfunktionaler Familien bis hin zu Kindesmord und Kannibalismus kaltschnäuzig stilisiert. Das bedächtige Saarbrücker Platt und der morbide Inhalt arbeiten dabei grandios gegeneinander: „von so em glähne biebsche/ werschde neddemohl sadd/ die sinn eher fer de guddschmagg/ haschde hunger schnabbder e grohßer/ awwer jedzde is joh kenner mehr doh/ isch glaab ich brohd mer mohl mei bähn“

 Diese Schriftmündlichkeit feiernde Poesie hat ihr Vorbild in Christian Morgensterns „Golch und Flubis“, im „Vergeß“ und im „Gruselett“. Ecker glaubt, diese  poetisch-performative Poesie gegen „alltagsgedichte“ schützen zu müssen. Er schreibt sich die Rolle des dialektischen Weißclowns zu; tatsächlich handelt er aber oft wie ein missvergnügter Direktor in einem Archiv für postmodernen Aberwitz..

Christopher Ecker: ›schach‹ dem vollmond – Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, 197 S., 12 €

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