Filmfestspiele in Venedig Die alte Dame an der Lagune

Venedig · Am Mittwoch beginnen die 74. Filmfestspiele von Venedig – was wird geboten?

     Der Künstler Ai Weiwei zeigt seine Doku „Human Flow“ über die Lage von Flüchtlingen.

Der Künstler Ai Weiwei zeigt seine Doku „Human Flow“ über die Lage von Flüchtlingen.

Foto: dpa/Rolex Dela Pena

Das Filmfestival in Venedig hat gerade einen guten Lauf – und danach sah es vor ein paar Jahren kaum aus. Da wirkte die alte Festivaldame nicht nur mit ihren Kinosälen und ihrer Infrastruktur etwas in die Jahre gekommen: Sie schien langsam abgehängt zu werden von der Konkurrenz wie dem zeitnah stattfindenden Festival in Toronto. Doch mit der Zeit gelang es Festival-Chef Alberto Barbera, die Situation zu drehen, er holte zuletzt die Premieren späterer Oscar-Abräumer wie „Spotlight“, „Gravity“ und zuletzt „La La Land“ nach Venedig.

Die Filmfestspiele sind offensichtlich wieder interessant geworden: mit ihrem Lagunenstadt-Glamour und als Plattform für einen ersten Ausblick auf die Kandidaten kommender  Filmpreise oder gar möglicher Oscar-Kandidaten. Das könnte sich auch jetzt fortsetzen – schon bei der Eröffnung der 74. Ausgabe mit „Downsizing“. Regisseur Alexander Payne, Spezialist für feine Tragikomik wie in „Sideways“ oder „Nebraska“, hat für seine utopisch angehauchte Gesellschaftssatire Matt Damon geschrumpft und in den Nebenrollen Kristen Wiig, Laura Dern und Christoph Waltz engagiert.Unter den 21 Filmen im Wettbewerb ist „Downsizing“ nur die erste von insgesamt sieben US-(Ko-)Produktionen, die mit ihrer starken Beteiligung auch Prominenz auf den roten Teppich locken. Auch wird Damons Auftritt zum Festivalstart im Sala Grande nicht sein einziger bleiben. Als Vorstadtvater hat er auch die Hauptrolle in George Clooneys „Suburbicon“ übernommen. Dafür hat Gelegenheits-Regisseur Clooney, nachdem er schon häufiger als Schauspieler für die Coen-Brüder vor der Kamera stand, nun das Drehbuch für seine schwarze Komödie mit den KinoQuerköpfen geschrieben.

Ein anderer Querkopf in Venedig ist Darren Aronofsky („Black Swan“), der sein Psycho-Horror-Drama „Mother!“ mit Jennifer Lawrence und Javier Bardem auf das Festivalpublikum loslässt und ebenso für bildgewaltige Werke steht wie der Kollege Guillermo del Toro. Den verschlägt es mit  „The Shape of Water“ wieder einmal in phantastische Kinogefilde – diesmal mit Sally Haw­kins in einer übernatürlichen Romanze aus dem Kalten Krieg.

Abgesehen von zwei Abstechern nach Asien und einer französisch-libanesischen Koproduktion konzentriert sich der Rest des Wettbewerbs ansonsten auf Filmkunst aus Europa: von Andrew Haighs „Lean on Pete“ mit Steve Buscemi als Pferdetrainer bis zu Abdellatif Kechiches „Mektoub, My Love: Canto Uno“, dem ersten Werk, seit er mit „Blau ist eine warme Farbe“ die Goldene Palme in Cannes gewann. Deutschland ist in der Löwen-Konkurrenz diesmal nur durch die Ko-Produktion „Foxtrot“ und Ai  Weiweis Dokumentation „Human Flow“ vertreten, mit der sich der chinesische Künstlerstar den globalen Flüchtlingsströmen widmet.

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Foto: Concorde / Hilary Bronwyn Gayle/Hilary Bronwyn Gayle

Darüber hinaus kehrt Rick Ostermann, zuletzt mit seinem Drama „Wolfskinder“ über deutsche Fluchtkinder während des Zweiten Weltkriegs in der Venedig-Nebenreihe „Orrizonti“ vertreten, mit dem Familiendrama „Krieg“ in dieselbe Sektion zurück. Damit hat er allerdings keine Chancen auf den Goldenen Löwen, den die Jury am 9. September vergibt. Spätestens dann kann man auch Spekulationen wagen, ob Venedig seinem Ruf als Oscar-Vorbote gerecht wurde.

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