Corona-Infektionen steigen- Politiker in Sorge „Ungeimpfte stellen eine langfristige Gefahr dar“

Berlin · Vor der Ministerpräsidenten- konferenz debattiert die Politik über Einschränkungen für Ungeimpfte und zusätzliche Anreize, um das Impf-Tempo zu beschleunigen. Der jüngste Anstieg der Corona-Infektionen und der Rückgang des Impf-Tempos bereiten den Politikern zunehmend Sorgen.

 SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert von der Stiko eine Neubewertung ihrer bisher eingeschränkten Impfempfehlung.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert von der Stiko eine Neubewertung ihrer bisher eingeschränkten Impfempfehlung.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen stieg laut Robert-Koch-Institut (RKI) weiter auf nun 21,2 – nach 20,4 am Vortag und 4,9 beim jüngsten Tiefstand am 6. Juli. Trotz Impfungen steigt diese Sieben-Tage-Inzidenz demnach schneller und früher als im Sommer 2020 wieder an. Inzwischen gehen fast alle Neuinfektionen auf die ansteckendere Delta-Virusvariante zurück: 97 Prozent.

Beim Bund-Länder-Treffen geht es um Beschränkungen, die nur für Ungeimpfte gelten könnten – ein negativer Test könnte dann nicht mehr für einen Restaurant- oder Stadionbesuch reichen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich dafür aus, „dass bei zunehmenden Infektionen und zunehmender Belegung der Krankenhäuser große Sport- und Kulturveranstaltungen nur von geimpften und genesenen Menschen besucht werden können“.

Ein Bündel von Maßnahmen soll verhindern, dass Deutschland im Herbst in einen vierten Lockdown schlittert. Ein Kernelement: Corona-Tests sollen wieder kostenpflichtig werden. Ein Restaurantbesuch wäre damit für Ungeimpfte künftig teurer als für Geimpfte. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schlägt vor, dass künftig nur noch ein negativer PCR-Test den Eintritt zu bestimmten Einrichtungen ermöglichen solle, nicht mehr der deutlich günstigere Schnelltest.

„Antigen-Schnelltests, für die man in Testzentren ein Zertifikat erhält, liefern in 40 Prozent der positiven Fälle ein falsch-negatives Ergebnis. Es ist also leider ein beträchtlicher Teil der Menschen infektiös, obwohl der Test das Gegenteil anzeigt“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Auf dieser Grundlage wäre es angesichts schwererer Krankheitsverläufe durch die Delta-Variante verantwortungslos, ungeimpfte, mit einem Schnelltest Getestete mit Geimpften und Genesenen in Hochrisikobereichen wie Clubs gleichzustellen. Sollten Ungeimpfte bei hohen Inzidenzwerten künftig nicht von Veranstaltungen oder Restaurantbesuchen ausgeschlossen werden, muss es eine PCR-Testpflicht für sie geben“, sagte Lauterbach. „Nur dann ist ein zuverlässiges Ergebnis zu erwarten. Durch die höheren Kosten und den größeren Zeitaufwand der PCR-Tests ist die Impfung der leichtere Weg. Aber es sind nur wenige Bereiche, die den PCR-Test voraussetzen“, so der SPD-Politiker.

Lauterbach forderte zudem die Ständige Impfkommission (Stiko) auf, ihre nur eingeschränkte Impf­empfehlung für Zwölf- bis 17-Jährige neu zu bewerten. „Mittlerweile liegen wichtige zusätzliche Daten für eine fundierte Analyse der Risiken bei einer Impfung von Zwölf- bis 17-Jährigen vor. In den USA wurden die Folgen von 8,9 Millionen Impfungen bei den Minderjährigen erforscht. Die Stiko sollte eine Neubewertung ihrer bisher eingeschränkten Impfempfehlung vornehmen“, sagte Lauterbach. „Die Daten lassen aus meiner Sicht nur einen Schluss zu: Dass eine Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige uneingeschränkt empfohlen werden kann, wenn das Risiko einer Infektion gerade mit der Delta-Variante sehr hoch ist“, so der SPD-Gesundheitsexperte.

Auch Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery setzte auf Sonderrechte für Geimpfte. „Die Ungeimpften laufen Gefahr, sich in den kommenden Wochen und Monaten zu infizieren, deshalb stellen sie eine langfristige Gefahr für die Gesamtgesellschaft dar. Die Politik muss alles unternehmen, um Ungeimpfte zur Impfung zu bringen“, sagte Montgomery. „Da nützen aber keine Prämien, Freibier oder kostenlose Bratwürste, sondern nur Rechte für Geimpfte. Das Beispiel Frankreichs zeigt, wie gut das funktioniert. Dort kommt man ohne Impfung nicht mehr ins Restaurant oder ins Kino. Autofahren darf man ja auch nur, wenn man einen Führerschein hat“, sagte der Mediziner. Corona-Tests müssten künftig kostenpflichtig werden.

Diskutiert wird aber auch über neue Impf-Anreize. Linksfraktions-Chef Bartsch: „Alle Bürgerinnen und Bürger, die geimpft sind, könnten einen Innenstadtgutschein über 50 Euro für Gastronomie oder Einzelhandel erhalten.“ Sie dürften aber ausdrücklich nicht über den Online-Handel eingelöst werden. Das Bundesgesundheitsministerium zeigte allerdings wenig Neigung, den Vorschlag aufzunehmen.

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