Spekulation über Kunstzensur Ein Fall von Kunstzensur?

Wolfsburg · Ralf Beil, Direktor des Wolfsburger Kunstmuseums, wurde gekündigt – weil der Volkswagenstiftung seine Ausstellungspolitik missfiel?

Dem Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, Ralf Beil, ist gewissermaßen über Nacht gekündigt worden. Die Umstände der am vergangenen Freitag erfolgten Entlassung Beils, der das Kunstmuseum seit Februar 2015 leitete, geben zu denken: In einer Mail ließ Beil demnach in der Nacht zu Freitag Freunde und Kollegen (und mittelbar dann auch die Medien) wissen, dass er ab dem kommenden Tag nicht mehr Museumsdirektor sei. Zugleich äußerte Beil darin die Vermutung, seine Entlassung stehe womöglich in Zusammenhang mit der von ihm zum 25-jährigen Jubiläum des Kunstmuseums im Sommer 2019 geplanten Ausstellung „Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters“.

„Die künstlerische Freiheit dafür ist am Kunstmuseum Wolfsburg offenbar nicht mehr gegeben“, schreibt Beil in seiner Mail. Eine Äußerung, die aufhorchen lässt. Ist Beils Entlassung etwa eine verkappte Form von Kunstzensur? In seiner Mail erwähnt Beil, dass er zuletzt von Dritten gehört habe, dass „das Museum den Konzern unterstützen sollte“. Gemeint damit ist der VolkswagenKonzern, dessen Kulturstiftung Träger des Museums ist. Die Stiftung selbst, die allerdings nicht direkt zu VW gehört und finanziell nicht unmittelbar von dem Autokonzern abhängig ist, schweigt bis dato zu den Wolfsburger Vorgängen. In einer dürren Pressemitteilung des Kunstmuseums hieß es lediglich, Beil habe sich „nach langen Verhandlungen“ geweigert, in gegenseitigem Einvernehmen einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben. Warum er dies überhaupt hätte tun sollen, wird nicht erwähnt. Beil selbst erklärt seine Weigerung damit, dass damit eine Schweigepflicht und der Verzicht auf Rechte verbunden gewesen wäre.

In ersten Medienberichten über die Entlassung wurde spekuliert, Beils geplante Öl-Ausstellung, in der auch die von der Erdölindustrie verursachten Umweltschäden thematisiert werden sollten, habe dem VW-Konzern womöglich misshagt. Die Pressemitteilung des Museums deutet darauf hin, dass der Museumsdirektor offenbar schon länger in Ungnade gefallen war. Beil hatte bereits in „Wolfsburg Unlimited“, seiner ersten in Wolfsburg kuratierten Ausstellung im Frühjahr 2016, alles andere als einen Schmusekurs mit VW gefahren. So hatte er darin auf das Fortwirken von NS-Industriellen in der bundesrepublikanischen Nachkriegswirtschaft hingewiesen oder auch den Führungskult in der VW-Konzernzentrale thematisiert.

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