Heavy-Metal-Band Powerwolf aus Saarbrücken „Und dann stand der Elch vorm Fenster“

Saarbrücken · Die erfolgreichste Heavy-Metal-Band Deutschlands kommt aus Saarbrücken: Powerwolf. Am 20. Juli erscheint das neue Album. Ein Gespräch über Franzosen, die bei Gitarrensoli mitsingen, und schwedische Hirsche.

 Powerwolf, Saarbrückens größter Musik-Export, in ihrer Bühnenkluft von links: Schlagzeuger Roel Van Helden, Gitarrist Matthew Greywolf, Sänger Attila Dorn, Bassist Charles Greywolf und Keyboarder/Organist Falk Maria Schlegel.

Powerwolf, Saarbrückens größter Musik-Export, in ihrer Bühnenkluft von links: Schlagzeuger Roel Van Helden, Gitarrist Matthew Greywolf, Sänger Attila Dorn, Bassist Charles Greywolf und Keyboarder/Organist Falk Maria Schlegel.

Matthew Greywolf zieht seine Kreise durchs Konferenzzimmer, umrundet den Tisch immer wieder und spricht ziemlich laut Englisch ins Handy (er telefoniert nach Japan). Kollege Falk Maria Schlegel sitzt in einer Ecke der Bar, tief übers Handy gebeugt. So sieht ein Pressetag bei Powerwolf aus, als wäre es ein Bürojob. Telefon-Interviews en masse, in einem Saarbrücker Hotel, mit Journalisten aus Deutschland, England, Russland, Südamerika und eben aus Japan. Das mediale Interesse ist enorm – die Saarbrücker Band ist seit einiger Zeit die erfolgreichste Heavy-Metal-Formation Deutschlands. 2015 erreichte ihr Album „Blessed and Possessed“ Platz drei, 2013 sprang „Preachers of the Night“ auf Platz eins. Am 20. Juli erscheint Album Nummer sieben, „The Sacrament of Sin“, eine lange internationale Tournee steht an.

Es läuft also bei Powerwolf – wobei eine Geschichte mit Bandkonflikten, halbleeren Hallen und Streitereien mit der Plattenfirma vielleicht mehr Stoff hergäbe. Doch davon ist die Band bisher verschont geblieben. „Es ist eigentlich ganz banal“, fasst Gitarrist Greywolf die aktuelle Lage zusammen, „wir sind als Band gewachsen, und alles ist nochmal eine Spur größer geworden“, ob nun ihre Show oder die Hallen. „Dafür sind wir enorm dankbar“, sagt Keyboarder/Organist Schlegel, „es gibt viele Bands, die da weniger Glück haben“.

Wobei Glück nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist, harte Arbeit ein ungleich größeres. Als nebenberufliches Projekt begann die Band 2003, mittlerweile leben die  Musiker von ihrer Ganztagsarbeit. Powerwolf pflegen einen opulent produzierten Heavy Metal mit großer Geste und Refrains, die im Ohr bleiben, und die sie auf der Bühne mit einer aufwendigen Show ins Szene setzen. Mit Feuer, Donner, Blitz, Kulissen, Masken – und Alter Egos: Denn Greywolf, man ahnte es schon, heißt nicht wirklich Greywolf, Schlegel nicht Schlegel. Aber auf der Bühne schlüpfen die fünf Musiker in Kostüme, greifen zu Schminke und werden zu Performern – betonen aber, dass sie da keine Rollen spielen. „Man tut auf der Bühne ja das, was man ohnehin in sich hat“, sagt Greywolf, „sonst würde das alles nicht glaubhaft wirken“.

Und bei allem ist auch eine Portion Ironie dabei – Heavy Metal ist ein Genre, dem Übertreibung, Theaterdonner und Klischees nicht fremd sind. Powerwolf gehen bei allem Ernst dennoch mit einem Augenzwinkern an die Arbeit – in einem früheren Interview sagte die Band: „Wir lieben diese Klischees.“

Am Anfang hatten sie innerhalb der Szene zu kämpfen. „Es gab Zeiten, da wurde man im Heavy Metal schief angeschaut, wenn man gesagt hat, dass man auch unterhalten, Entertainment bieten will“, sagt Schlegel. „In Jeans und T-Shirt hätten wir es da erstmal leichter gehabt“, sagt Greywolf, „aber ich bin froh, dass wir stur geblieben sind und unsere Vision durchgezogen haben“. Diese Vision füllt mittlerweile internationale Hallen, die größten standen bei der jüngsten Tournee in Moskau. „In Russland hat es direkt gezündet“, sagt Schlegel, der sich das auch nicht recht erklären kann. Demnächst spielen sie dort in Hallen vor bis zu 7000 Menschen, bei Festivals noch viel mehr. In Paris traten  sie zuletzt vor 4000 Fans auf und konnten sich wieder einmal an einer charmanten Eigenart gallischer Heavy-Metal-Fans erfreuen: „Die singen einfach gerne“, sagt Greywolf, „die singen sogar Gitarrensoli mit“. Ansonsten gebe es kaum regionale Unterschiede beim Publikum, „eher frappierende Gemeinsamkeiten“, nicht zuletzt die Optik „mit Band-T-Shirt und langen Haaren“ – wie Greywolf selbst, der beim Gespräch auch ein Band-T-Shirt trägt, wenn auch eines der denkbar Heavy-Metal-fernen Gruppe Joy Division.

Drei Monate war die Band in Schweden, um das Album aufzunehmen. Ablenkung gab es keine, „das Studio war auf dem Land, da gab es sonst nichts“, erzählt Greywolf, bis auf einen Besucher, den man in Schweden öfter trifft als an der Saar: „Plötzlich stand ein Elch vor dem Studiofenster.“ Mit dem Album zeigt sich die Band zufrieden, es sei ihr variantenreichstes. Aber ist auch der satte sakrale Sound der Kirchenorgel von Thionville dabei, die zuvor schon auf ihren Alben zu hören war? „Natürlich“, sagt Greywolf, „diese Orgel gehört einfach dazu“.

Die Kontroverse um den Echo und die Rap-Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ von Farid Bang und Kollegah hat die Band nur am Rande verfolgt, sie war da gerade auf Videodreh in Breslau. „Scheinheilig und theatralisch“ sei die Diskussion gewesen, sagt Schlegel, „warum hat man sich die Texte nicht vorher mal angeschaut?“. Man müsse generell genau hinschauen, aber auch differenzieren und nicht hysterisch werden, sagt der Keyboarder – beide Musiker erinnern sich mit Grausen an frühere Diskussionen, vor allem in den 1990ern, auch in Saarbrücken: Einige Gegner des Genres sahen Heavy Metal als Hort verkappter Satanisten an, die die Jugend verderben wollen. „Das wird heute erfreulicherweise differenzierter gesehen“, sagt Greywolf, „da hat es durchaus einen Austausch zwischen den Lagern gegeben“.

Aber dass Heavy Metal von vielen immer noch als eine musikalische Nische betrachtet und von manchen Medien ignoriert wird, wurmt die beiden etwas, auch wenn sie keinen gesteigerten Wert darauf legen, im Formatradio gespielt zu werden. „Aber wenn man sich die Zahlen der riesigen Heavy-Metal-Festivals anschaut“, sagt Schlegel, „dann ist das schon eine verdammt große Nische.“

Ende Oktober beginnt die Tournee, die die Band unter anderem nach Wien, Warschau und London führt und dann in der Heimat in der Saarlandhalle vorerst endet, bevor es 2019 weitergeht. Die Show wird noch einmal eine Nummer größer und aufwändiger, mehr Blitz und Donner, die Band arbeitet mit Künstlern seit vergangenem Jahr daran. Das geht natürlich für die Band ins Geld – ist das nicht riskant in Zeiten, wo Konzerte potenziell mehr einbringen als die einbrechenden Erlöse aus CD-Verkäufen? Sorgen machen sich die Musiker nicht. „Das ist genau das, was wir machen wollen und jetzt auch machen können“, sagt Greywolf. „Und schließlich sind wir Künstler – und keine Betriebswirte.“

Powerwolf: The Sacrament of Sin (Ab 20. Juli, Napalm Records/Universal).
Konzert: 17. November, Saarlandhalle. Info: www.powerwolf.net

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