Neues Album von Drake Goldketten-Folklore vom netten Kerl des Hip-Hop

Saarbrücken · Drake, der zurzeit populärste Rapper weltweit, legt mit „Scorpion“ ein Album vor, das halb so lang doppelt so gut wäre.

 Der kanadische Rapper Drake in London im Rahmen seiner „Boy Meets World“-Tour.

Der kanadische Rapper Drake in London im Rahmen seiner „Boy Meets World“-Tour.

Foto: dpa/Myles Wright

Wer als Rapper wirklich reich ist, richtig superreich, der kauft sich schon lange keine goldene Knarre oder schnelle Karre mehr, auch keine Boeing oder irgendwelchen anderen Bling-Bling, sondern: Rechte. Und weil Drake ja gerade der Größte überhaupt ist und deswegen unglaublich vermögend, hat er sich fürs neue Album ein Stück von Michael Jackson lizenzieren lassen, das noch gar nicht veröffentlicht ist. So singt er nun also in dem ziemlich tollen Stück „Don’t Matter To Me“ gemeinsam mit dem „King Of Pop“; ein Duett mit einer Stimme aus dem Jenseits sozusagen. Fetter geht es kaum, das war sicher teuer, und das soll es ja auch sein, denn: Samples sind das neue Statussymbol.

Der zurzeit populärste Rapper hat eine neue Platte veröffentlicht, und weil es im Hiphop gerade wieder verstärkt darum geht, wer die meisten PS hat, ist „Scorpion“ ein Doppelalbum mit 25 Stücken. Warum so viele? Weil Drake es kann. Und weil das Album just an dem Tag erschien, als das Zählsystem für die US-Charts umgestellt wurde: Streams auf Bezahlplattformen wie Apple Music zählen nun mehr als solche von Gratis-Adressen wie Soundcloud. Für Drake hat es sich gelohnt: „Scorpion“ wurde in den ersten 24 Stunden 300 Millionen Mal gestreamt und fast eine Million Mal verkauft.

Würde man alle Luft herauslassen aus dem Album, dessen erste Hälfte Rapsongs enthält, während die zweite eher soulig und R’n’B-lastig ist, hätte man zehn gute bis extrem gute Stücke. „Emotionless“ etwa ist meisterlich produziert: In ein gospeliges Sample von Mariah Carey lässt Drake pralle Bass-Blasen platzen, dazu rappt er sehr klar und transparent seine Lebensweisheiten. Ebenfalls umwerfend: das minimalistische „Summer Games“, das von DJ Premier produzierte „Sandra’s Rose“ und die Nummer-eins-Hits „God’s Plan“ und „Nice For What“. Zwischendurch trifft man indes immer wieder auf schwache Stücke wie „I’m Upset“ und „Ratchet Happy Birthday“.

Drake ist der nette Kerl des Hiphop, und es fällt auf, dass Trap, diese düstere bis dystopische, derzeit aber populärste Spielart des HipHop, bei ihm eigentlich gar nicht vorkommt. Nur in dem Stück „Mob Ties“, das man als Hommage an Migos werten kann, die Trap-Helden aus Atlanta.

Drake rappt als ehrliche Haut über seinen Alltag, demnach liest er User-Kommentare unter seinen Stücken bei Youtube und regt sich darüber auf. Er spricht seine Hörer wie Freunde an, nur manchmal wird er ein bisschen prollig, wenn er die vielen Supermodels in seinem Haus erwähnt, zum Beispiel. Goldketten-Folkore halt. Und auch das ist Hiphop im Jahr 2018: eine Soap Opera. Der von Kanye West produzierte Rapper Pusha T warf Drake Ende Mai in einem Lied vor, einen Sohn zu haben, dessen Existenz er verheimliche, weil die Mutter Porno-Darstellerin sei. Drake reagiert auf seiner neuen Platte mehrfach darauf, am eindrucksvollsten im letzten Stück „March 14“. Er zitiert dabei neuerlich den selbsternannten King of Pop, und das klingt dann so: „She is not my lover like Bille Jean / But the kid is mine.“ Außerdem verstecke er sein Kind nicht vor der Welt, sondern die Welt vor seinem Kind. Kann man ja auch verstehen.

Drake ist ein guter Typ. Seine neue Platte ist auch gut. Halb so lang wäre sie allerdings noch besser gewesen.

Drake: Scorpion (Erschienen bei Republic Records).

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