Kommt Papst, kommt Schock

Die in Nenning geborene Autorin Andrea Hensgen zeigt in ihrem aktuellen Roman „Der Papst kommt“, was die Summe von Fehleinschätzungen mit einem Leben anrichten kann. Dramatisches Finale inklusive.

Kolja, erfolgreicher Unternehmensberater aus Frankfurt, schlägt vorübergehend in Karlsruhe seine Zelte auf. Der weltgewandte Mittfünfziger ist das berufsbedingte Nomadentum gewohnt. Die Situation, die er im Badischen antrifft, ist für ihn jedoch ein Novum. In der Stadt werden umfangreiche Vorbereitungen zum bevorstehenden Papstbesuch getroffen und dieser Ausnahmezustand dominiert seine wenigen, lockeren privaten Kontakte. Jeder scheint seine religiöse Einstellung wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Kolja geht auf Distanz und einzig Simona, die ihm die Schönheit seiner Heimat auf Zeit nahebringt und mit der er ein erotisches Abenteuer eingeht, versteht es, seine scheinbar unüberwindlichen Barrikaden etwas einzureißen.

Doch sobald der Fokus sich nur andeutungsweise auf diese Beziehung legt, wird dieser Erzählstrang durchbrochen von den bizarren Blüten, die der bevorstehende Besuch des Pontifex Maximus treibt. Ob es nun die "Papst Pizza" auf der Speisekarte des örtlichen Italieners ist, oder der Pilgerzug, der sich auf dem Bahnsteig zum Chor formiert. Oder ob es die in ihrer Aufdringlichkeit beinahe ins Groteske verzerrten Pilgerinnen sind, die Kolja bei seiner Radtour ausbremsen, um ihn zu fragen, ob er an jenem Tag schon an Gott gedacht habe - stets schiebt sich das titelgebende Motiv in den Vordergrund. Es wird in erhabenem, bedeutungsvollem Duktus ausgebreitet und erscheint dabei mitunter als beinahe bedeutungslose Staffage, die dem Roman einen Rahmen vorgibt, ohne den er sich zu einem lesenswerten Beziehungsdrama hätte entwickeln können. Denn nicht nur in der Figur des Protagonisten steckt das nötige Potenzial. Der Einzelgänger ist unfähig, die Signale seiner Mitmenschen adäquat zu deuten. Simona schätzt er genauso falsch ein wie ihren Sohn Lucca, der in Kolja die lang ersehnte Vaterfigur sieht, ebenso wie sein junger Kollege Jan. Die Summe seiner Fehleinschätzungen kulminiert in einem dramatischen Finale, das wieder im Papstbesuch verankert ist.

Leider. Denn der Roman ist dort besonders gut und lesenswert, wo sich diejenigen Beziehungen entwickeln, deren Kausalität nicht mit dem formal-religiösen Hintergrund zusammenhängt: Kolja, Lucca, Jan - diese drei, die am Ende in einer aus der emotionalen Not geborenen Wohngemeinschaft zusammenleben und in die Katastrophe taumeln.

Andrea Hensgen: Der Papst kommt, Info Verlag, 194 Seiten, 14,80 Euro.

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