Joachim Gauck hat sich Gehör verschafft

Berlin · Vielleicht wird man sich später vor allem an diesen einen Auftritt erinnern, Ende Januar 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Mit seinen Worten zur deutschen Verantwortung in der Welt ist Joachim Gauck gelungen, was vorher nicht so recht geklappt hat: eine große Rede, die viel Zustimmung und auch Kritik eingefahren hat, jedenfalls als wichtig eingestuft wurde.

Mit diesem Plädoyer für eine etwas andere Außenpolitik hat der Bundespräsident das wichtigste Zeichen in seiner nun zweijährigen Amtszeit gesetzt.

Am 18. März 2012 war Gauck in das höchste Staatsamt gewählt worden. War nach einem Jahr noch Enttäuschung zu spüren bei manchen, die sich mehr erhofft hatten von diesem Präsidenten, sind nun die allermeisten Zweifel gewichen. Zunächst fiel es dem Ex-Pastor aus der DDR schwerer als erwartet, Gehör zu finden mit seinen großen Themen: Freiheit, Verantwortung, Menschenrechte. Eine erste Europarede war ohne großes Echo verhallt. Aber Gauck sagt auch: Das eine große Thema gibt es nicht, es sind mehrere. Das ihm wichtigste hat der 74-Jährige in München formuliert: "Das ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir jemals hatten." Dieser Satz ist die Basis für alle Überlegungen. Aus der historischen Schuld dürfe nicht mehr länger ein "Recht auf Wegsehen" abgeleitet werden, wenn Menschenrechte verletzt oder Kriegsverbrechen begangen werden. Über die Umsetzung einer neu gewichteten Außen- und Sicherheitspolitik allerdings entscheidet der Bundespräsident nicht. Das muss die Regierung tun, am Ende die Kanzlerin.

Merkel und Gauck. Viel ist spekuliert worden über das Verhältnis der Regierungschefin zum Bundespräsidenten, von DDR-Pfarrerstochter zu DDR-Ex-Pfarrer. Fest steht: Angela Merkel wollte Gauck nicht im Schloss Bellevue. Sie musste nachgeben, und seitdem sind beide Seiten etwas angestrengt bemüht, auch nicht den Hauch einer Meinungsverschiedenheit erkennen zu lassen. Aufpassen muss Gauck allerdings immer noch, was er sagt, denn er spricht gerne und viel. Seit er Merkel in einem Interview aufforderte, in der Eurokrise "sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet", und dies gleich als Kritik gelesen wurde, ist er noch vorsichtiger geworden.

Innenpolitisch konzentriert sich Gauck auf das Thema Integration, besuchte etwa ein Asylbewerberheim bei Berlin. Ganz Gauck ist er aber vor allem, wenn es um Erinnerungsarbeit geht, auch im Ausland. Er besuchte Stätten deutscher Kriegsverbrechen in Tschechien und Italien, in Frankreich und zuletzt im griechischen Lingiades, und schaffte es, selbst bei Opfern des Holocaust herzliche Zuneigung zu wecken. In solchen Begegnungen ist er der emotionalste Bundespräsident, den es je gab.

Für ihn selbst ein bisschen unerwartet sind die Auftritte im Ausland zu einem besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit geworden. Immer wieder muss er dabei betonen, dass er für die operative Regierungspolitik nicht zuständig ist, weder Ersatz-Kanzler noch Ersatz-Außenminister sein kann. Aber es gelingt ihm, Menschen für sich einzunehmen und damit ein Klima zu schaffen, in dem auch offene Worte möglich sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort