Eine Parade-Carmen, die gerne den Hänsel spielt

Merzig. Es war nicht nur ein bewegender, es war ein künstlerisch beglückender Augenblick: Barbara Gilbert, Stefanie Krahnenfeld und Ann-Katrin Naidu im Schluss-Terzett aus dem "Rosenkavalier", 2006, bei Kurt Josef Schildknechts Abschiedsgala. Drei Ausnahme-Sängerinnen dankten demjenigen, der sie als solche erkannt und gefördert hatte

 Ann-Katrin Naidu als Carmen in der aktuellen Merziger Inszenierung. Foto: Rolf Ruppental

Ann-Katrin Naidu als Carmen in der aktuellen Merziger Inszenierung. Foto: Rolf Ruppental

Merzig. Es war nicht nur ein bewegender, es war ein künstlerisch beglückender Augenblick: Barbara Gilbert, Stefanie Krahnenfeld und Ann-Katrin Naidu im Schluss-Terzett aus dem "Rosenkavalier", 2006, bei Kurt Josef Schildknechts Abschiedsgala. Drei Ausnahme-Sängerinnen dankten demjenigen, der sie als solche erkannt und gefördert hatte. "Nie mehr hat mich eine Zeit so sehr geprägt wie die in Saarbrücken", sagt Ann-Katrin Naidu. Und das klingt nicht nach Lorbeerkranz-Flechterei, sondern handfest. Wie Naidu insgesamt als gestandene Person auftritt. Sie trägt Hemd, Jeans und Turnschuhe, wirkt darin allerdings so weiblich als trüge sie Abendgarderobe. Wahrlich, für Bizets "Männermörderin" Carmen scheint die südländische Schöne die Idealbesetzung. Dafür ist sie ins Saarland zurückgekehrt, in die Merziger-Sommer-Zeltoper. Ihre Saarbrücker Ex-Kollegin Edda Petri, Ehefrau des "Musik & Theater Saar"-Chefs Joachim Arnold, rief sie in München an. Nun sitzt die arrivierte Naidu, die ein Zubin Metha oder Lorin Maazel engagierte, und die am Gärtnerinnentheater in München arbeitet, in dieser sehr anderen, sehr alternativen Produktions-Atmosphäre, die sie an frühere "Opern-Workshops" erinnert. - Und enorm strapaziert, wie sie erzählt. Nicht nur, weil sie seit 1. August fast täglich von zehn bis 22 Uhr probt, sondern weil ihr die "exhibitionistische" Manegen-Situation zu schaffen mache: "Die vierte Wand fällt weg, man ist jederzeit von allen Seiten aus sichtbar, das macht schutzlos." Da blitzt eine Dünnhäutigkeit durch, die man dieser Routinierten, Selbstbewussten kaum zugetraut hätte. Später sagt Naidu: "Die starken Frauen müssen in der Oper immer sterben. Psychisch fühle ich mich deshalb vielleicht in der Rolle des Hänsel am wohlsten. Der besiegt die Hexe und hat die Kinder auf seiner Seite." Auch die Charlotte aus Massenets "Werther" mag sie besonders. 1993 gelang ihr damit der Durchbruch bei Publikum wie Kritik, die ihren "ausgeglichenen, runden Ton" lobte. Kurz darauf kam der Ruf ans Mannheimer Nationaltheater, 1996 ging sie nach München, in ein bis heute bestehendes Festengagement, um, wie sie sagt, ihrer heute 14-jährigen Tochter Stabilität zu bieten. "Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie halte ich für den größten Erfolg meines Berufs." Mittlerweile erzieht sie ihr Kind jedoch allein - und schafft den Spagat immer noch, wie sie meint. Auch wenn sie dafür, wie demnächst, in einem Kinderstück die "Omama im Apfelbaum" abliefern muss. Statt ihre Ausflüge ins Wagner-Fach zu intensivieren: "Da ist noch ein Kapitel drin." Kontakte ins Saarland bestehen nur noch sehr wenige, zum Sponsorclub-Ehepaar Prüm, das zu ihren Premieren anreist, zu den Ex-Tänzern Gaetano Franzese und Sven Grützmacher. Der ist heute Ballettchef in Trier - und holt den Tanz-Fan Naidu für die "Lieder eines fahrenden Gesellen" an sein Haus. Zuerst ist nun aber die Merziger "Carmen" dran. Bereits 16 Jahre begleitet die spanische Heldin Naidu. Zu Beginn sang sie freilich die treu-brave Micaela. Nun muss sie in Merzig eine dreist-forsche Carmen geben, in einer "sehr aggressiven Version", wie sie meint. Das Klischee des ewig lockenden Prachtweibs, dem ihr südländisches Aussehen Vorschub leistet, liefert sie nur ungern ab: "Weil ich privat ganz anders bin. Und was bedeutet heute noch Erotik? Wohl eher Reduktion. Nur die biestige, berechnende Frau zu zeigen, ist langweilig." Also gräbt sich Naidu der Carmen tiefer unter die Haut, bis zu ihrer Enttäuschung über José, der ihrer Stärke zunächst mit Respekt begegnet, dann aber den Macho rauskehrt. Wie sich das ins Regie-Konzept fügt? Heute Abend wissen wir mehr. "Carmen" in der Merziger Zeltoper am 20., 21.8., 25.8., 26.8., 27.8., 28.8., immer 20 Uhr; 29.8. 19 Uhr; Karten: Tel. (0 68 61) 99 100. www.musik-theater.de

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