China steigt zur neuen Nummer zwei auf

Peking/Tokio. China hat die bisher zweitgrößte Wirtschaftsnation Japan vom angestammten Platz verdrängt. Mehr als 40 Jahre hielt Japan den Titel der Nummer Zwei hinter den USA. Doch Japans Wirtschaft stagniert, während China trotz Wirtschaftskrise mit rund zehn Prozent davonmarschiert. Der historische Wechsel in der Spitzengruppe der großen Volkswirtschaften war zwar schon erwartet worden

Peking/Tokio. China hat die bisher zweitgrößte Wirtschaftsnation Japan vom angestammten Platz verdrängt. Mehr als 40 Jahre hielt Japan den Titel der Nummer Zwei hinter den USA. Doch Japans Wirtschaft stagniert, während China trotz Wirtschaftskrise mit rund zehn Prozent davonmarschiert. Der historische Wechsel in der Spitzengruppe der großen Volkswirtschaften war zwar schon erwartet worden. Gleichwohl markiert er einen bedeutenden Meilenstein im Aufstieg Chinas zur globalen Wirtschaftsmacht. Nach vorläufigen Berechnungen der Regierung in Tokio belief sich Japans Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal auf 1,28 Billionen Dollar (knapp eine Billion Euro), während China auf 1,33 Billionen Dollar kam. Die Chinesen hatten zuvor Deutschland als Exportweltmeister abgelöst. Sie besitzen mit 2,45 Billionen US-Dollar die weltgrößten Devisenreserven und kaufen heute schon mehr Autos als die Amerikaner. Während Japan mit der Sättigung seines Marktes und Überalterung ringt, hat China noch viel Potenzial für Wachstum. Wird die Wirtschaftsleistung pro Kopf auf die 1,3 Milliarden Chinesen umgerechnet, kommt China gerade mal auf ein Zehntel der USA oder Japans und rangiert neben Ländern wie Algerien oder El Salvador. "Wir erwarten, dass die Einkommen der Haushalte beständig wachsen werden", sagt China-Expertin Jinny Yan von der Standard Chartered Bank. "Aber um das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt auf den Stand der Industrieländer zu bringen, bedarf es wohl noch einiger Jahrzehnte." Japan diente China bislang als Modell für Wachstum und Investitionen in Infrastruktur, etwa in den Ausbau des Schienen- oder Straßennetzes. Doch der lange Zeit starke Fokus auf Investitionen verbunden mit hoher Abhängigkeit vom Export hat Japan Probleme bereitet. Die Stärkung des Binnenkonsums, der 60 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, wurde lange vernachlässigt. Sorgsam verfolgte China, wie Japan auf Drängen der USA seine Währung aufgewertet und sich für Konjunkturprogramme hoch verschuldet hat. "Ich denke, wir sollten diesen Pfad nicht auch gehen", sagt Lu Zhengwei, Ökonom der chinesischen Industrial Bank. Als Sparweltmeister können sich die Chinesen aber Ausgaben für Infrastrukturprojekte leisten. Doch die heimische Nachfrage hat China bislang auch nicht ausreichend ankurbeln können. "Chinas Wirtschaft ist weiterhin unausgewogen: Sie stützt sich übermäßig auf Exporte und Investitionen", warnt Ben Simpfendorfer von der Royal Bank of Scotland. "Während China das weltweite Wachstum etwas unterstützt, besteht das Risiko, dass sich seine Wirtschaft wegen der Ungleichgewichte abrupt verlangsamt." dpa Meinung

Die neue Wirtschaftsmacht

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger Die Zeiten, in denen China als Entwicklungsland, galt, sind eindeutig vorbei. Längst ist das kommunistische Land einer der wichtigsten Spieler in der Weltwirtschaft - weltweite Beteiligungen und ein prall gefülltes Devisenpolster zeigen, dass China in vielen Ländern den Ton mit angibt.Sicherlich ist das Bruttoinlandsprodukt - verglichen mit der Zahl der Einwohner - noch immer bescheiden. Auch steht das Wachstum auf wackeligen Füßen. Doch muss man anerkennen, dass das Regime mit seiner dirigistischen Wirtschaftspolitik vieles richtig macht. Ein Absturz ist deshalb eher unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte sich der Abstand zu den USA in den kommenden Jahren weiter verringern.

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