Wenn Saarländer ohne Ticket Busfahren dürfen

Saarbrücken · Die beiden Landräte Patrick Lauer und Udo Recktenwald haben auf einem Arbeitskammer-Forum zum Bus- und Bahnverkehr im Saarland überrascht. Sie können sich einen Nahverkehr vorstellen, in dem Fahrscheine überflüssig sind.

Jeder zahlt etwa 20 Euro im Monat, und dafür darf man ohne Ticket im Saarland nach Belieben Bus und Bahn fahren. Die Piraten-Partei verficht diese Idee eines fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehrs seit Jahren. Was viele gewiss als Schnapsidee einstufen, fand gestern auf einem Diskussionforum der Arbeitskammer in Saarbrücken Sympathie in ganz anderen politischen Lagern: bei Patrick Lauer (SPD ), Landrat des Kreises Saarlouis und Aufsichtsratschef des Nahverkehrs-Unternehmensverbunds SNS, sowie bei Udo Recktenwald (CDU ), Landrat des Kreises St. Wendel.

"Will man einen radikalen Umbruch zugunsten den ÖPNV, dann wird es nur mit radikalen Ideen gehen können", sagte Lauer Jeder könnte einen gewissen Prozentsatz des Einkommens als Generalabgabe leisten und dafür den ÖPNV "nach Lust und Laune nutzen". Menschen mit geringen Einkünften müssten nichts zahlen, skizzierte Lauer diese politische Vision.

Er hatte in seinem Vortrag Antworten auf die Frage gesucht "Wie kann der Nahverkehr im Saarland neue Fahrgäste gewinnen?" Und zweifellos würden im Autoland Saarland viel mehr Bürger auf Bus und Bahn umsteigen, wenn sie nicht den Tarifdschungel durchdringen müssten, sondern ohne Ticket einsteigen könnten. "Wir müssen Öffentlichen Personennahverkehr einfach machen", forderte er. "Busfahren darf keine Wissenschaft sein." Einfach wäre das fahrscheinlose System auf jeden Fall. Genauso hätte man Planungssicherheit bei den Einnahmen. Allerdings sei eine Solidarabgabe rechtlich nicht leicht umzusetzen, schränkte Lauer ein. "Ich bin dafür, dass man über solche Modelle nachdenkt, wenn wir ÖPNV als Daseinsvorsorge betrachten", auch um die Finanzierung des ÖPNV zu verbessern, argumentierte Recktenwald.

Jenseits dieser verkehrspolitischen Vision ging es auf dem Forum um die kleinen Schritte, den Bus- und Bahnverkehr zu verbessern. Zum Beispiel die Härten im Tarifsystem des Saarländischen Verkehrsverbunds zu glätten, wie Lauer sagte. Da, wo Nutzer auf kurzen Strecken für zwei Tarifzonen zahlen müssen. Oder da, wo sogenannte Zählwaben Preise in die Höhe treiben. Gegenwärtig würden die Kosten für die Einführung eines landesweiten Kurzstreckentarifs berechnet, sagte Astrid Klug , die im Wirtschaftsministerium für Verkehrspolitik zuständig ist. Auch werde kalkuliert, die größten Ungerechtigkeiten im Wabenplan, also bei den Tarifzonen im Saarland, aufzuheben. Für die weitere Zukunft schwebt Klug wie auch Lauer eine ganz andere Preisgestaltung vor: "einen entfernungsabhängigen Tarif" - mit elektronischen Tickets, zu kaufen per Smartphone. Klug stellte auch Verbesserungen bei Jobtickets in Aussicht, die für kleine Firmen interessanter werden und größere Rabatte bieten sollen. Und zusätzliche Millionen sollen in barrierefreie Haltestellen fließen.

 (Archivbild)

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Foto: Becker&Bredel

Außerdem wurden auf dem Arbeitskammer-Forum allerlei Forderungen und Wünsche formuliert, um den ÖPNV schneller und komfortabler zu machen: mehr Busspuren, ein flexibleres und bedarfsgerechteres Angebot in ländlichen Regionen, Schnellbusse zwischen der Saarbrücker City und den Stadtteilen. Am Ende bedeute ein umfassend reformierter Nahverkehr "einen organisatorischen und finanziellen Kraftakt", sagte Lauer. "Der sich lohnen kann". Das gilt gewiss auch für die Revolution hin zu einem fahrscheinlosen Nahverkehr .

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