US-Präsident in den sozialen Medien Das Rennen um die größte Aufmerksamkeit

Washington · Millionen Menschen verfolgen Donald Trump auf Twitter. Einige Nutzer versuchen, daraus für sich selbst Profit zu schlagen.

  Donald Trump verbreitet seine Ansichten oft per Twitter – hier wirft er Deutschland unter anderem vor, zu wenig Geld ins Militär zu investieren.

Donald Trump verbreitet seine Ansichten oft per Twitter – hier wirft er Deutschland unter anderem vor, zu wenig Geld ins Militär zu investieren.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ed Krassenstein ist allzeit bereit. Der 37-Jährige wartet jeden Tag auf die neuesten Beiträge des US-Präsidenten. Sobald eine Handy-Benachrichtigung anzeigt, dass Donald Trump bei Twitter etwas Neues von sich gegeben hat, fängt Krassenstein an zu tippen und sendet seine Antwort an Trump hinaus in die Welt des Kurznachrichtendienstes.

Damit ist er nicht allein. Eine feste Gruppe Twitter-Nutzer wetteifert jeden Tag darum, als erste auf den Präsidenten zu antworten. Ganz oben unter Trumps Beiträgen zu landen, verspricht viel Aufmerksamkeit und einen Schub für die eigene Bekanntheit in den sozialen Medien. Für manche ist es ein echter Sport. Und sogar eine Art Geschäftsmodell.

Trumps Twitter-Konto gehört zu den Profilen mit den weltweit meisten Abonnenten. Fast 59 Millionen Menschen verfolgen, was der US-Präsident von sich gibt. Auf viele seiner Tweets genannten Beiträge folgen zehntausende Reaktionen. Andere Nutzer markieren die Nachrichten mit „gefällt mir“, verbreiten sie weiter oder antworten darauf. In der Sekunde, in der Trump per Twitter eine Botschaft aussendet, startet dort ein Reaktionsgewitter – und die erste Antwort auf eine Präsidentenäußerung hat Aussicht, von Millionen Internetnutzern gelesen zu werden.

Ed Krassenstein und sein Zwillingsbruder Brian gehören zu den prominentesten Trump-Antwortgebern bei Twitter. Ed hat dort inzwischen mehr als 890 000 Abonnenten, sein Bruder mehr als 650 000. Im Duo keilen sie jeden Tag gegen den Präsidenten und dessen Politik. Sie haben sich im Internet einen Namen gemacht, denn ihre Antworten stehen oft ganz oben unter den Tweets des Präsidenten.

Mit Blick auf Trumps Intensiv-Twitterei erscheint das als tagesfüllende Beschäftigung. Ed Krassenstein winkt ab. „Das sagen viele. Aber ich brauche nur ein bis zwei Minuten, um auf einen Trump-Tweet zu antworten“, sagt er. Viel Zeitaufwand sei das nicht. Und wie schafft er es, so schnell zu sein? Bereitet er Antworten vor? Nein, das tue er nie, beteuert Krassenstein. Er nutze einfach die Handy-Benachrichtigung bei Trump-Beiträgen und antworte dann spontan.

Ed Krassenstein sagt von sich, er sei eigentlich nie sehr politisch gewesen. Er habe auch nie gewählt – bis zur Präsidentenwahl 2016, als überraschend Trump gewann. Kurz darauf fing Krassenstein an, dem Präsidenten bei fast jeder Wortmeldung auf Twitter zu widersprechen. „Ich sehe das nicht als Mission“, sagt der Mann aus Florida. „Ich bin einfach ein Amerikaner mit einer Stimme. Und die nutze ich.“ Der Präsident dürfe die Bevölkerung nicht belügen. „Wenn er es tut, dann halte ich es für nötig, ihn zu korrigieren.“

Die Krassenstein-Brüder verstehen sich als Teil des „Online-Widerstands“ gegen Trump. Aber sie verdienen auch Geld damit, seitdem sie sich per Twitter profiliert haben. Gemeinsam produzieren sie eine im Netz abrufbare Gesprächssendung und sie haben ein Buch mit Trump-Parodien veröffentlicht. Die Brüder betreiben zudem eine – politisch nicht unabhängige und daher unumstrittene – Nachrichten-Webseite.

„Trump ist der mächtigste Twitterer auf diesem Planeten“, sagt Scott Talan, Experte für soziale Medien an der American University in Washington. Wer als Erster auf Trump antworte, bekomme viel Aufmerksamkeit, vermehre seine eigenen Abonnenten und mache sich einen Namen in den sozialen Medien. Dazu trage bei, dass die Leute wissen, dass Trump seine Beiträge höchstpersönlich verfasse statt dies seiner Pressestelle zu überlassen. Das sei ein weiterer Anreiz, direkt auf ihn zu antworten.

Trumps Gegner und Unterstützer liefern sich unter dessen Tweets einen öffentlichen Kampf um die Deutungshoheit. Bei den ersten paar Antworten tauchen dort immer wieder die gleichen Namen auf. Und so aggressiv Trumps Tweets oft sind, so offensiv sind auch die Erwiderungen. Talan meint, Trump nutze Twitter wie eine „soziale Axt“ gegen seine Gegner. Und andere täten es ihm gleich.

Einer der prominentesten Trump-Unterstützer aus dieser Gruppe, Jacob Wohl, wurde kürzlich dauerhaft von Twitter verbannt. Der Kurznachrichtendienst wirft ihm vor, er habe gefälschte Accounts betrieben, um politisch Einfluss zu nehmen. Wohl ist 21 Jahre alt und hat bereits mit allerlei Verschwörungstheorien und zuvor mit windigen Finanzaktivitäten Schlagzeilen gemacht. Trumps Twitter-Beiträge erzeugen ein eigenes Universum schillernder bis zwielichtiger Gestalten.

Der Präsident selbst nimmt seine Dauer-Antwortgeber durchaus wahr. Beiträge treuer Unterstützer verbreitet er ab und zu weiter. Mancher harte Gegner ist ihm dagegen ein Dorn im Auge. Trump, der über eine Beschränkung der Redefreiheit, „Zensur“ und „politische Korrektheit“ in den USA klagt, hat schon mehrere unliebsame Twitter-Follower blockiert, darunter Krassenstein. Mehrere Betroffene zogen vor Gericht und bekamen Recht. Trump musste die kritischen Kommentare danach wieder zulassen.

Trump hat Twitter zu seinem Hauptkommunikationskanal gemacht, um an den - ihm zumeist verhassten - Medien vorbei Botschaften auszusenden. 2012 schrieb der US-Präsident: „Ich liebe Twitter... Es ist, als würdest du deine eigene Zeitung besitzen – ohne die Verluste.“ Er selbst hat nur 45 andere Twitter-Profile abonniert: Dazu gehören Mitglieder seiner Familie, einzelne politische Getreue, die eigenen Golfresorts und ein paar Journalisten seines Lieblingssenders Fox News.

 Der Kurznachrichtendienst Twitter hat weltweit über 300 Millionen Nutzer und wird daher auch von vielen Politikern verwendet.

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat weltweit über 300 Millionen Nutzer und wird daher auch von vielen Politikern verwendet.

Foto: dpa/Arno Burgi

Talan sagt über Trump, dieser sei „nicht wirklich ein Star der sozialen Medien“. Er nutze keine andere Plattform intensiv und betreibe auch keinen Austausch. Trump sei einseitig aufs „Senden“ eingestellt. „Er ist eher wie eine Plakatwand, die einen anschreit.“ Bei Twitter gibt es zumindest eine feste Riege von Menschen, die zurückschreien.

(dpa)
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