Kein Persilschein für Lästerzungen

Karlsruhe · Auf Bewertungsportalen im Internet können Nutzer unter anderem Ärzte und Restaurants beurteilen. Beschwert sich ein Arzt jedoch darüber, wie er bewertet wurde, so muss das Portal beweisen, dass der Verfasser tatsächlich Patient des entsprechenden Arztes war. Das entschied der Bundesgerichtshof. An der Anonymität der Nutzer soll aber nicht gerüttelt werden.

 Der BGH entschied, dass Bewertungsportale wie Jameda bei Beschwerden künftig genauer hinschauen müssen. Foto: Deck/dpa

Der BGH entschied, dass Bewertungsportale wie Jameda bei Beschwerden künftig genauer hinschauen müssen. Foto: Deck/dpa

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Ein Zahnarzt aus Berlin wurde von einem Patienten auf einem Internetportal dreimal mit der Note sechs bewertet. Daraufhin verlangte der Arzt vom Gesundheitsportal Jameda wenigstens einen Beweis dafür, dass der Nutzer überhaupt bei ihm in der Praxis war. Der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) gab ihm recht. Jetzt sind die Bewertungsportale am Zug.

Strittig war vor dem Prozess, ob das Bewertungsportal Jameda überhaupt - und wenn ja, wie - den Besuch des Patienten bei dem klagenden Arzt beweisen muss (Az.: VI ZR 34/15). Denkbar wäre dies etwa durch Vorlage von Rezepten, Rechnungen oder Nachweisen von Terminvereinbarungen. Jameda hingegen fürchtete um die Anonymität seiner Nutzer. Von solchen Nachweisen, auch wenn sie anonymisiert würden, könne allzuleicht auf die Identität des Nutzers geschlossen werden.

Wer jedoch Ärzte bewertet, wolle meist anonym bleiben "Gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ist es wichtig, dass Patienten sich sicher sein können, dass ihre Anonymität zu jeder Zeit gewahrt ist", erklärt dazu Jameda. An der Anonymität im Netz soll auch nicht gerüttelt werden. Nutzer dürfen grundsätzlich weiter ohne Namensnennung kommentieren und ihre Daten dürfen in der Regel nicht herausgegeben werden. Die Bewertungsportale müssen bei Beschwerden jedoch künftig viel genauer hinschauen. Laut BGH-Urteil müssen die Betreiber sich präzise vom Verfasser einer umstrittenen Einschätzung schildern lassen, wann und wie etwa ein Arztbesuch ablief. Als Belege kommen Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien infrage. Hotel- oder Restaurantbewertungsportale müssten Buchungsbelege oder Rechnungen über die verzehrte Mahlzeit vorgelegen.

Höherer Aufwand für Portale



Für die Portale bedeutet das, dass sie künftig einen höheren Aufwand haben, wenn sie Beschwerden überprüfen. Jurist Andreas Freitag, Experte für Internet- und Wettbewerbsrecht, befürchten, "dass kleinere Anbieter, die für die Vielfalt und freie Meinungsäußerung wichtig sind, dann möglicherweise vom Markt verschwinden". Das Gesundheitsportal Jameda will seinen Prüfprozess nun anpassen.

Wenn jemand auf einer Plattform falsche Behauptungen aufstellte, konnte der Betroffene dies schon vor dem aktuellen BGH-Urteil beim Portal-Betreiber melden. Der umstrittene Eintrag musste dann geprüft werden. Künftig müssen die Einträge aber wesentlich gründlicher kontrolliert werden als zuvor. Dem Missbrauch im Netz durch gefälschte Bewertungen sind damit Grenzen gesetzt. Ansprüche auf Löschung sind leichter durchzusetzen. Denn wenn der Nutzer keine Belege liefert oder die Nachweise nicht glaubwürdig sind, muss die beanstandete Bewertung verschwinden.

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