Arbeitgeber-Bewertungen im Internet Wenn der Angestellte den Chef bewertet

Bielefeld · Bewertungsportale für Arbeitgeber gibt es im Internet viele. Wie seriös aber sind sie? Tipps zum Umgang mit den Online-Meinungen.

 Viele Bewerber achten auf Bewertungen des Wunsch-Arbeitgebers im Internet.

Viele Bewerber achten auf Bewertungen des Wunsch-Arbeitgebers im Internet.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Spannende Aufgaben, flache Hierarchien und gute Weiterbildungsmöglichkeiten: Die Stellenanzeige klingt gut, doch vom Unternehmen hat man noch nie gehört. Eine Internetsuche führt Bewerber dann oft zu Online-Portalen, auf denen Beschäftigte ihre Arbeitgeber bewerten können. Sterne, Punkte oder Kommentare sollen helfen, sich einen Eindruck vom Unternehmen zu verschaffen. Aber ist das überhaupt hilfreich?

„Für einen ersten Eindruck in jedem Fall“, sagt Ute Gietzen-Wieland, Business-Coach in Bielefeld. Bewerber sollten aber nicht nur ein Portal als Informationsquelle nutzen, sondern mehrere – und die Ergebnisse vergleichen. „Aufschlussreich ist auch, ob und auf welche Weise Unternehmen auf Lob oder auf Kritik reagieren“, erklärt Anati Olzinger, Expertin für digitales Netzwerken bei der Karriereberatung von Rundstedt. Beschwere sich etwa jemand in einem Portal anonym, dass es im Unternehmen unfair zugehe und er lieber heute als morgen kündigen würde, sei es ein gutes Zeichen, wenn das Unternehmen darauf reagiere und sinngemäß sage: Melden Sie sich bitte bei Ihrem Vorgesetzten, damit wir gemeinsam zu einer Lösung kommen können.

Ein Arbeitgeber, der sich nicht um Bewertungen kümmere, könnte so das Signal geben, dass ihm das Wohl seiner Beschäftigten nicht am Herzen liege. Das könne eine abschreckende Wirkung auf Bewerber haben. „Einem Bewerber muss aber auch klar sein, dass die Bewertung eines Arbeitgebers durch einen Beschäftigten immer eine persönliche Meinung ist, mehr nicht“, sagt Anati Olzinger.

Ute Gietzen-Wieland plädiert ebenfalls dafür, die Kommentare und Bewertungen mit Vorsicht zu genießen. Möglich sei, dass jemand das vermeintlich schlechte Miteinander thematisiere, um einem Arbeitgeber zu schaden. Umgekehrt sei aber auch denkbar, dass auf einem Bewertungsportal ein Unternehmen in den Himmel gehoben werde. „Letztendlich sind Bewertungsportale nicht mehr als ein Puzzleteilchen, um sich ein Bild von einer Firma zu machen“, erklärt Gietzen-Wieland. Das Bild müsse ein Bewerber durch weitere Nachforschungen ergänzen – etwa durch einen Blick auf die Webseite oder Gespräche mit Mitarbeitern.

Auch sollte jeder für sich Aussagen auf den Prüfstand stellen, rät Expertin Anati Olzinger. Sie nennt ein Beispiel: Jemand postet über ein Unternehmen „chaotische Zustände“. Das klingt zunächst negativ. „Aber es gibt auch Leute, die mit Chaos äußerst gut leben können und in einer solchen Umgebung zur Höchstform auflaufen.“ Häufen sich auf Portalen negative Kommentare über einen Arbeitgeber, könnten Bewerber das bei einem Vorstellungsgespräch ansprechen. „Damit zeigen sie den Personalverantwortlichen, dass sie sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt haben, was ein Pluspunkt sein kann.“

Eine Häufung von negativen Kommentaren sollten Bewerber nicht gleich dazu verleiten, sich nicht bei dem Unternehmen zu bewerben, sagt Ute Gietzen-Wieland. Kommt es zum Vorstellungsgespräch, achtet man am besten darauf, ob sich kritische Punkte bestätigen. „Das kann für einen selbst eine interessante Erfahrung sein und man kann danach auf Basis des eigenen Eindrucks entscheiden, ob man die Bewerbung weiterverfolgen möchte“, sagt Gietzen-Wieland.

Ein weiterer Pluspunkt: Man gehe die Sache gelassener an, wenn man wegen der negativen Kommentare zunächst nicht „Feuer und Flamme“ für die Firma sei. Im Zweifelsfall sei das Vorstellungsgespräch eine gute Übung von Bewerbungssituationen.

Häufig kommt in Bewertungsportalen über Arbeitgeber das Gehalt zur Sprache. Beispielsweise ist „von mieser Bezahlung“ die Rede oder davon, dass „(großartige) Leistungen in keinem Verhältnis zum (schlechten) Gehalt“ stünden. Olzinger hält solche Kommentare durchaus für glaubhaft, sofern sie anonym sind. Wer ohne Namen dazu Angaben mache, habe keinen Grund zu lügen. Gietzen-Wieland empfiehlt indes, Gehaltskommentare skeptisch zu betrachten, sie seien mit Blick auf den eigenen Job wenig aussagekräftig. „Letztendlich vereinbaren Arbeitgeber und Beschäftigte Gehälter meist individuell je nach Qualifikation, sie sind also Verhandlungssache.“

Im Internet finden sich auch Ranglisten zu den attraktivsten Arbeitgebern. Wie aussagekräftig sind solche Aufstellungen, und sind sie eine gute Ergänzung zu den Kommentaren in den Bewertungsportalen?

Sowohl Gietzen-Wieland als auch Olzinger winken ab. „Unternehmen können sich einen guten Platz in einem solchen Ranking kaufen, daher sollte man vorsichtig sein“, sagt Olzinger. Besser sei es, sich selbst zu informieren: Dafür können Bewerber beispielsweise nach Profilen von Mitarbeitern eines Unternehmens in Netzwerken wie Xing, Linkedin und ähnlichen Diensten suchen, sich diese anschauen und die Personen nach zusätzlichen Infos fragen.

(dpa)
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