SPD und Grüne Von Köchen, Kellnern und der rot-grünen Entfremdung

Berlin · Die alten Bündnis-Zeiten à la Schröder und Fischer scheinen vorbei. Stattdessen macht den Roten ein grüner Aufschwung Sorge. Die Nervosität wächst.

 Für Altkanzler Gerhard Schröder (l, mit dem grünen Joschka Fischer) war die SPD im rot-grünen Bündnis von 1998 der Koch, die Grünen der Kellner. Die Zeiten sind vorbei.

Für Altkanzler Gerhard Schröder (l, mit dem grünen Joschka Fischer) war die SPD im rot-grünen Bündnis von 1998 der Koch, die Grünen der Kellner. Die Zeiten sind vorbei.

Foto: dpa/Andreas Altwein

Robert Habeck ist ein erfrischender, lockerer Typ, der gern in Talkshows geladen wird. Doch für SPD-Chefin Andrea Nahles ist er hochgefährlich. Hartnäckig wildern die Grünen mit ihren neuen Vorsitzenden Habeck und Annalena Baer­bock im Terrain der roten SPD. Im jüngsten ARD-„Deutschlandtrend liegen sie mit 15 Prozent nur noch drei Punkte hinter den Sozialdemokraten. In Bayern könnten sie am 14. Oktober bei der Landtagswahl hinter der CSU sogar klar zweitstärkste Kraft werden — der SPD droht hinter der AfD sogar nur Platz vier.

Es ist eine schleichende Verschiebung im linken Lager. Gerhard Schröders Dogma könnte sich umkehren. Der Kanzler hatte zu den Grünen zu Beginn von Rot-Grün im Bund (1998 bis 2005) gesagt: „Der Größere ist der Koch, der Kleinere der Kellner.“ Die SPD holte 1998 40,9 Prozent, die Grünen 6,7 Prozent. Nun könnten die Kellner die Köche bald überholen.

„Führende Kraft der linken Mitte“ wollen die Grünen werden, so lautet die offizielle Sprachregelung. Kann man eine Kampfansage an die SPD und Nahles eindeutiger formulieren? Beide Parteien, die mal als so etwas wie natürliche Partner galten, müssen in einer sich rasant verändernden politischen Landschaft ihren Platz finden. Wie in anderen Ländern auch zersplittert das Parteiensystem.

Erst kamen im linken Lager die Grünen 1980 dazu, und 2007 die Partei Die Linke durch die Fusion der WASG und der Linkspartei/PDS. Abzuwarten bleibt, ob die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Sammlungsbewegung „Aufstehen“ das Parteiengefüge links weiter zerbröseln wird. Sie könnte gerade die SPD weitere Wähler kosten, wo Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz klar auf einen Mitte-Kurs setzen, während sich viele Mitglieder nach der „reinen linken Lehre“ sehnen — dazu gehört für sie auch ein Abschied von Hartz IV. Aber nicht die Linken sind der gefährlichste Konkurrent, sondern die Grünen.

Der Zeitgeist ist mehr rechts als links, die Grünen wollen nun auch enttäuschte Wähler der liberalen Mitte einsammeln, auch die, die nicht mehr wissen, wofür die zerrissene SPD noch steht. Und bei der nach rechts rückenden Union wildern, das konservative Lager ist auch von einer Polarisierung erfasst. Die immer noch recht junge AfD liegt bei 17 Prozent, die Union ist auf 29 Prozent abgesackt. Die Grünen stellen sich geschickt auf die neue Zeit ein, setzen Themen, während die SPD auf Sinnsuche ist.

Einerseits umarmen Habeck und Baerbock, die zum Realo-Lager ihrer Partei zählen, die Linken. Sie sprechen von Umverteilung und von Gerechtigkeit. Andererseits reisen sie unter dem Motto „Des Glückes Unterpfand“ auf der Suche nach Einigkeit, Recht und Freiheit durchs Land, um den Begriff Heimat als „Anti-AfD“ positiv zu besetzen. Nahles registriert diese Kampfansage ganz genau. Die Grünen setzen Botschaften gegen einen Rechtsruck, verbreiten Aufbruchstimmung – während Nahles‘ Sommerreise keine Überschrift hat. Auch der Kurs in der Flüchtlingspolitik wirkt wirr.

Die Zeiten gemeinsamer rot-grüner Lagerkämpfe gegen Union und FDP sind längst vorbei – und die Grünen schielen Richtung Union. Nahles wirkt ratlos: „Die Imitation der Grünen hilft uns nicht weiter“. Sie will mehr Abgrenzung – wie? „Wer Abgrenzung nur taktisch einfordert, wird schlicht nicht verstanden“, kritisiert ein einflussreicher SPD-Abgeordneter. Klar, mit den Grünen gibt es weiter die größten Gemeinsamkeiten. Das vermittle die SPD aber nicht, beklagt der frühere rot-grüne Stratege Jürgen Trittin, unter Schröder Umweltminister. Nahles grenze sich von den Grünen schärfer ab als von der CSU.

Bleiben die Umfragen für die SPD so schlecht, könnte es in der Partei wieder richtig rumoren. Den kurzfristigen Höhenflug mit Martin Schulz gab es ausgerechnet, als er auf einen Linkskurs setzte – doch dann wurde er eingenordet. Nahles und Scholz trauen der Linkspartei um Wagenknecht und Ehemann Oskar Lafontaine nicht – ihre einzige Machtoption könnte mittelfristig eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP sein. Oder die ewige Groko. Dort sind sie ja schon lange die Kellner von Köchin Angela Merkel.

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