Mobilfunkstandard 5G Schöne neue Welt der Netze

Berlin/Barcelona · Von den Vorzügen des superschnellen 5G-Standards schwärmt die Mobilfunk-Industrie. Sie reichen von ferngesteuerten Fahrzeugen bis zur Hilfe im OP-Saal. In Deutschland werden heute wichtige Weichen für die Zukunftstechnik gestellt.

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Foto: SZ

(dpa) Es wirkt wie der perfekte Aufbau für ein Rennspiel: Lenkrad, Pedale, eine Wand aus sechs Monitoren zeigt die Fahrbahn. Gemessen daran fehlt es der Aufgabe etwas an Action – man muss bei Schrittgeschwindigkeit an einem Stoppschild halten und auf einem Testgelände die Spur halten. Doch für den Nervenkitzel sorgt etwas anderes: Es ist ein echter Lastwagen, der hier in Echtzeit gesteuert wird. Der Fahrer sitzt in Barcelona, das Fahrzeug ist rund 2000 Kilometer entfernt in Schweden unterwegs. Der Lastwagen der Firma Einride ist eine Klasse für sich. In dem Fahrzeug ist gar kein Platz für einen Menschen vorgesehen. Seine bullige Front ist eine betongraue Fläche ohne Frontscheibe oder Kühlergrill. Die futuristischen T-Pod-Lastwagen sollen eigentlich autonom fahren. Aber in schwierigen Situationen – das könnte anfangs ein Baustellen-Bereich sein – soll ein Mensch die Kontrolle per Fernsteuerung übernehmen können. Hier kommt 5G mit seinen extrem kurzen Datenlaufzeiten – der sogenannten Latenz – ins Spiel. Damit können Steuerbefehle praktisch ohne Verzögerung an das Fahrzeug übertragen werden. Es ist nur einer von einigen Vorzügen der neuen Netze, von denen Ausrüster und Netzbetreiber seit Jahren schwärmen – und die jetzt in den Fokus rücken.

In Deutschland startet heute um 10 Uhr die lange erwartete 5G-Auktion. Die Bundesnetzagentur versteigert die Frequenzen für den superschnellen Mobilfunk, was wohl drei Wochen dauern wird. Ins Rennen gehen die bisherigen Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica sowie der Neueinsteiger Drillisch vom Konzern United Internet. Fachleute rechnen mit Staatseinnahmen von drei bis fünf Milliarden Euro.

Aktuell – und vielfältig wie nie – war 5G auch beim Mobile World Congress in Barcelona. Wenige Meter von der Lastwagen-Demo am Stand des Netzwerk-Ausrüsters Ericsson spielt eine Band. Genauer gesagt, die Hälfte der Band, der Bassist und der Schlagzeuger. Der Gitarrist und der singende Keyboarder musizieren in einer anderen Halle am Vodafone-Stand, die Verbindung läuft über ein 5G-Netz. Die geringe Latenz macht es möglich, dass sie einen Song so spielen können, als wären sie an einem Ort.

Und vor hunderten Zuschauern gibt ein Chirurg von der Bühne aus Ratschläge für Kollegen im Operationssaal und zeichnet unter anderem auf Bildern zum Beispiel die Nervenstränge ein, die sie auf keinen Fall durchtrennen dürfen. Telechirurgie gilt als ein wichtiger 5G-Anwendungsfall für die Zukunft. In China soll bereits im Januar ein Chirurg mit Hilfe ferngesteuerter Roboterarme aus rund 50 Kilometern Entfernung die Leber bei einem Versuchstier entfernt haben.

Bis solche Operationen im Alltag ankommen, wird es noch dauern – eine in Barcelona gezeigte Lösung für Krankenwagen hingegen könnte früher eingesetzt werden. Die Idee ist, eine Ultraschall-Untersuchung bei Bedarf schon auf dem Weg ins Krankenhaus durchzuführen. Dabei werden die Bilder nicht nur in Echtzeit per 5G übertragen, sondern der Arzt kann auch mit Hilfe eines haptischen Handschuhs die Hand des Sanitäters, der das Ultraschall-Gerät hält, an bestimmte Stellen lenken.

„5G wurde ursprünglich für die Industrie konzipiert, deshalb waren geringe Latenzzeiten und die hohe Bandbreite die Grundvorgaben“, sagt Ericsson-Manager Fredrik Jejdling. Doch auch den Verbrauchern will die Industrie die Vorzüge der superschnellen Netze schmackhaft machen. So zeigt der Chipkonzern Qualcomm, wie man mit 5G auf einem Smartphone mehrere Sender gleichzeitiig fernsehen kann.

Selbst das Geschäft mit virtueller Realität soll 5G revolutionieren. Heute muss die intensive Rechenarbeit lokal erledigt werden – entweder in der Brille selbst oder einem angeschlossenen Computer. Mit der schnellen Cloud-Verbindung könnten stattdessen Server im Netz einspringen. Die Geräte auf dem Kopf würden entsprechend leichter und tragbarer. Ein Nebenaspekt wäre, dass sich damit mehr Wertschöpfung von den VR-Spezialisten zu den Netzbetreibern verlagert. Das kann eine gute Nachricht für die Konzerne sein, die viele Milliarden in den 5G-Netzausbau stecken müsse.

 Generationen_der_Mobilfunkstandards

Generationen_der_Mobilfunkstandards

Foto: SZ/Steffen, Michael

Denn die 5G-Wunder haben ihren Preis. Die Faustregel sei, dass man drei Mal mehr Basisstationen brauche, jede drei Mal mehr koste als eine für die bisherigen Standards – und obendrein auch noch drei Mal mehr Strom verbrauche, sagt ein Branchenexperte in Barcelona.

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