Kroatien ist jetzt auf der europäischen Zielgeraden

Brüssel. Auf diese Worte hat man in Kroatien sechs Jahre lang gewartet: "Heute ist ein historischer Tag für das Land", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso, als er am Freitagmittag in Brüssel vor die Medien trat, um zu verkünden: Das 4,5 Millionen Einwohner große Land kann EU-Mitglied werden

 Am Freitag warb Kroatiens Ministerpräsidentin Jadranka Kosor beim britischen Premier David Cameron um Unterstützung. Foto: dpa

Am Freitag warb Kroatiens Ministerpräsidentin Jadranka Kosor beim britischen Premier David Cameron um Unterstützung. Foto: dpa

Brüssel. Auf diese Worte hat man in Kroatien sechs Jahre lang gewartet: "Heute ist ein historischer Tag für das Land", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso, als er am Freitagmittag in Brüssel vor die Medien trat, um zu verkünden: Das 4,5 Millionen Einwohner große Land kann EU-Mitglied werden. Dessen Präsident Ivo Josipovic hatte schon zuvor von "einer neuen Seite in unserer Geschichte" gesprochen. Kroatien sei erst vor 20 Jahren infolge der Balkan-Kriege unabhängig geworden. "Wir hatten eine schwierige Geschichte."Jetzt aber sind die letzten der insgesamt 35 Verhandlungskapitel mit Zagreb erfolgreich abgeschlossen worden. "Dies bereitet den Weg, um Kroatien am 1. Juli 2013 zum 28. Mitgliedstaaten der EU zu machen, sofern die Regierungen der Mitgliedstaaten zustimmen", sagte Barroso. Das ist das Problem. Zwar könnten die 27 Staats- und Regierungschef schon bei ihrem nächsten Gipfeltreffen in zwei Wochen den Weg für eine Vollmitgliedschaft des (nach Slowenien) zweiten Landes des ehemaligen Jugoslawien machen. Aber dann müssen erst noch die nationalen Parlamente zustimmen. Und das dürfte ein Hindernislauf werden.

Rumänien hat beispielsweise schon angedeutet, dass man sich querlegen werde. Solange Brüssel nämlich die verschärfte Korruptionsüberwachung über Bukarest verhängt habe, will das dortige Parlament seine Zustimmung verweigern - es sei denn, man beziehe Kroatien mit ein. Der Widerstand scheint überwindbar, vorausgesetzt die Schengen-Mitgliedstaaten geben spätestens im Herbst ihre Zustimmung zur Aufhebung der Grenzen Richtung Rumänien und Bulgarien.

Weitaus mehr fürchten die Kroaten dagegen die französischen Präsidentenwahlen im kommenden Jahr. Präsident Nicolas Sarkozy könnte versucht sein, so befürchtet auch Brüssel, auf der Jagd nach Stimmen die antieuropäischen Emotionen bedienen zu wollen. Letzten Umfragen zufolge ist die Zustimmung zur Gemeinschaft von 60 auf zuletzt 38 Prozent gesunken. Kroatien könnte zum Opfer werden.

Fortschritte in Zagreb

Dabei hat sich Zagreb in den vergangenen Jahren wirklich bemüht, alle Auflagen zu erfüllen. Den als Kriegsverbrecher beschuldigten General Ante Gotovina lieferte man an das UN-Tribunal in Den Haag aus. Der Grenzstreit mit Slowenien um Fischereirechte im Mittelmeer wurde beigelegt. Und die Justizreform konnte verankert werden: Zagreb schulte Richter und Staatsanwälte, um den gewaltigen Überhang von fast 13 000 Fällen aus dem letzten Jahrzehnt zu bewältigen. Mit Den Haag gibt es nun eine rechtlich verlässliche Zusammenarbeit. Insgesamt hat das vor allem bei Touristen beliebte Land über 80 000 Seiten an Rechtsvorschriften der Union übernommen und umgesetzt. "Kroatien ist europäischer als mancher Mitgliedstaat", hieß es am Freitag.

Dort bereitet man sich längst auf das neue Familienmitglied vor. Denn Kroatien wird ebenfalls einen eigenen Kommissar stellen, Abgeordnete ins europäische Parlament schicken dürfen und so manchen Länder-Proporz in Gremien und Mitarbeiterstäben durcheinanderbringen. An den beiden großen Tischen der Kommission und des EU-Gipfels werde es jedenfalls keine Unordnung geben, hieß es. "Da ist noch genügend Platz für ein paar Stühle mehr."

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