Meinungen gehen auseinander Die neue Bonpflicht spaltet die Nation

Berlin · Verpflichtende Quittungen für Centbeträge? Viele Bundesbürger lehnen das ab. Doch auch die Gruppe der Befürworter ist groß.

 Seit rund einem Monat gibt es für jedes Brötchen und jedes Bier am Kiosk einen Kassenzettel. So fordert es zumindest das Gesetz.

Seit rund einem Monat gibt es für jedes Brötchen und jedes Bier am Kiosk einen Kassenzettel. So fordert es zumindest das Gesetz.

Foto: dpa/Jan Woitas

Die neue Kassenbonpflicht ist bei deutschen Verbrauchern hoch umstritten. 56 Prozent der Menschen lehnen die Vorschrift ab, doch immerhin 32 Prozent befürwortet sie, wie aus einer repräsentativen Befragung des Marktforschers Yougov hervorgeht. Zugleich können sich nur wenige für elektronische Belege per Mail erwärmen.

Verbraucher lehnen die Bonpflicht vor allem deshalb ab, weil durch die Quittungen zusätzlicher Abfall entsteht (86 Prozent). Viele Bürgerinnen und Bürger (64 Prozent) glauben zudem, dass die verpflichtende Belegausgabe keine Steuerhinterziehung im großen Stil verhindern kann. Etwa genauso hoch war der Anteil derer, die die vielen Zettel im Portemonnaie nerven. Fast drei Viertel meinen, das Erschweren von Steuerhinterziehung durch die Bonpflicht wiege schwerer als Nachteile der Vorschrift wie mehr Müll. Auch nutzt gut jeder Dritte (35 Prozent) Belege für die persönliche Haushaltsführung.

Seit 1. Januar müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen – ob in der Apotheke, beim Friseur oder beim Bäcker. Das soll Steuerbetrug verhindern. Einzelhandel und Handwerk hatten die Vorschrift als bürokratisch kritisiert und laufen dagegen Sturm: Viele Geschäfte müssen Kassen umrüsten oder neue Geräte anschaffen. Allerdings hatte der Handel jahrelang Zeit, sich auf die Bonpflicht vorzubereiten. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits 2016 verabschiedet.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) erneuerte am Donnerstag seine Kritik. „Steuerhinterziehung muss wirkungsvoll bekämpft werden – schon aus Gründen der Wettbewerbsfairness. Aber die Bonpflicht führt nicht zum Ziel“, erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Schon die verpflichtende Einführung von technischen Sicherheitseinrichtungen in allen Registrierkassen stellt sicher, dass nichts am Fiskus vorbeigeht.“

Der Staat verliert viel Geld, weil Firmen Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Die Steuergewerkschaft und einige Bundesländer bezifferten den Schaden auf jährlich etwa zehn Milliarden Euro. In Staaten wie Österreich, Italien und Portugal, gilt die Bonpflicht schon länger.

Der Handel muss mit dem neuen Gesetz Quittungen nicht zwingend auf Papier ausgeben – auch per Mail oder per Handyscan ist der Bon in Deutschland erlaubt. Hier sind die Deutschen aber skeptisch: Nur rund 30 Prozent der Menschen finden laut Yougov, die elektronische Variante per Mail sei eine gute Alternative. Fast jeder Fünfte (19 Prozent) hält das Eintippen von Mail-Adressen an der Ladenkasse für zu umständlich und mehr als vier von zehn Befragten (42 Prozent) wollen ihre Mail-Adresse nicht überall preisgeben.

Überhaupt verzichten Verbraucher im Alltag oft auf den Kassenbon. Nur eine kleine Minderheit (17 Prozent) nimmt immer eine Quittung beim Einkaufen mit, viele wollen gerade bei kleinen Beträgen keinen Beleg. Nur bei größeren Anschaffungen oder für den Fall eines Umtauschs gehen 37 Prozent der Menschen mit einer Quittung auf Nummer sicher.

Kritikern der Bonpflicht hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jüngst ein Entgegenkommen signalisiert. Es gebe mehrere Möglichkeiten, die negativen Folgen abzumildern, sagte er. Altmaier nannte den Weg Frankreichs „interessant“, wo die Regierung Kassenzettel für kleine Beträge abschaffen will. Ein Gesetz sieht vor, dass Belege für Beträge bis 30 Euro in Frankreich ab 2022 nicht mehr ungefragt ausgedruckt werden.

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