Was tun gegen islamistische Gehirnwäsche?

Düsseldorf · Wer den Dschihad-Terror bekämpfen will, muss auch die Rekrutierungen aus Deutschland stoppen. Besonders junge Leute sind anfällig für extremistisch-salafistisches Werben. Sie gegen islamistische Gehirnwäsche immun zu machen, ist schwierig.

Abrupt ändert er seinen Kleidungsstil, grenzt sich ab, die Ansichten des 17-Jährigen kommen in Schwarz-Weiß daher, provozieren: ein Warnzeichen. "Wenn der Jugendliche sich plötzlich anders artikuliert, seine neu konstruierte religiöse Auffassung geradezu performt, ist es wichtig, schnell Einfluss zu nehmen", sagt der Islamwissenschaftler und Präventionsexperte Michael Kiefer von der Uni Osnabrück. Das Thema islamistische Radikalisierung ist aktueller denn je nach den Anschlägen von Paris. Wie steuert man der Rekrutierung junger Leute für den Dschihad-Terror entgegen? Die Salafisten-Szene wächst, ist geschickt und sehr aktiv. Kann Prävention dagegenhalten? Die Antwort der Experten zusammengefasst: Um Jugendliche gegen das Werben der Extremisten und ihrer islamistischen Gehirnwäsche immun zu machen, braucht es ein viel früheres Ansetzen und zusätzliche Angebote. Prävention müsse strategischer werden, alle Akteure zusammenbringen und einen langen Atem haben.

Aber: "Unsere Präventionslandschaft ist noch dünn", bedauert der Islam-Experte Dietmar Molthagen von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Handlungsbedarf besteht akut. "Das sind jetzt Top-Zeiten für Salafisten , in denen man gut rekrutieren kann." Nach dem Terror von Paris fühlten sich in der gewaltbereiten Szene viele umso motivierter, auf Fang zu gehen. Auch an Flüchtlinge machten sie sich heran.

In Deutschland werden mehr als 43 000 Menschen der Islamisten-Szene zugeordnet, darunter sind rund 7900 Salafisten . Zwar sind nicht alle Salafisten gewaltorientiert, aber alle islamistischen Gewalttäter kommen bisher aus der salafistischen Szene.

Projekte zu Beratung, Schutz und Intervention sind in Gang gekommen - und wichtig gerade in salafistischen Hochburgen. Dazu gehören Bonn, Solingen und einige Ruhrgebietsstädte, außerdem Berlin, Hannover und Braunschweig, aber auch Hessen, Hamburg und Bremen. "Wir brauchen auch die Moscheegemeinden. Wir müssen die Jugendarbeit stärken, weil man die gefährdeten Leute dort am besten erreichen kann", sagt Molthagen.

Der wichtigste Präventionsort ist aus Sicht des Experten die Schule. "Wenn Schule und Jugendhilfe sensibilisiert sind, eine Radikalisierung ganz früh mitbekommen, ihr gemeinsam gut entgegenarbeiten, kann vieles verhindert werden", erklärt er.

Und noch etwas ist nach Ansicht des Präventionsexperten Kiefer bedeutsam: "Es ist wichtig, dass nicht jeder vor sich hin wurstelt. Wir müssen alle relevanten Akteure zusammenbringen. Schule, Jugendsozialarbeit, Vereine, muslimische Gemeinden, Polizei ." Von einer Querschnittsaufgabe spricht die Autorin des Buches "Zum Töten bereit - Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen", Lamya Kaddor. "Präventionsinitiativen sind gut. Ab einem bestimmten Radikalisierungsgrad kann man damit aber kaum was bewirken."

Fatal findet die Religionspädagogin das Unterscheiden in "Wir" und "Ihr", Muslime und Nicht-Muslime, Deutsche und Fremde. Das trage dazu bei, dass Jugendliche sich ausgegrenzt sähen, keine gefestigte Identität hätten und Extremisten verfielen. Was die Kontinuität angeht, ist Kaddor skeptisch: "Wie nach jeden Anschlag kocht wieder die Frage hoch, wie die Prävention zu verbessern ist. Aber Politik und Gesellschaft bleiben nicht dran. In einigen Wochen ist wieder alles vergessen und es passiert nichts."

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