Syrien-Einigung zwischen Russland und der Türkei Schulterschluss gegen die Kurden

Moskau/Istanbul · Moskaus Militärpolizei rückt bis zur türkischen Grenze vor. Die Folgen der Einigung mit der Türkei sind noch nicht absehbar.

 Sie haben sich im Kampf gegen die Kurdenmiliz YPG verbündet: der russische Präsident Wladimir Putin (r) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Sie haben sich im Kampf gegen die Kurdenmiliz YPG verbündet: der russische Präsident Wladimir Putin (r) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Foto: dpa/Sergei Chirikov

Russische Einheiten sind in Nordsyrien an die türkische Grenze vorgerückt und setzen damit ein Abkommen zwischen Ankara und Moskau zum Abzug der Kurdenmiliz YPG aus dem Gebiet um. Ein Konvoi der russischen Militärpolizei habe den Fluss Euphrat am Mittwochmittag überquert, hieß es der Agentur Tass zufolge. Syrische Militärkreise berichteten, russische Militärpolizisten seien mit vier Fahrzeugen in die Grenzstadt Kobane eingerückt.

Die russische Militärpolizei soll mit syrischen Grenzeinheiten sicherstellen, dass sich die YPG aus einem 30 Kilometer tiefen Streifen entlang der Grenze zurückzieht. Darauf hatten sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin am Dienstag in Sotschi geeinigt. In dem Abkommen wurde eine 150-Stunden-Frist (rund sechs Tage) für den Abzug gesetzt. Die Frist hatte am Mittwochmittag um 12 Uhr Ortszeit begonnen. Kremlsprecher Dmitri Peskow drohte, die „verbleibenden kurdischen Formationen“ würden von der türkischen Armee „zermalmt“, sollten sie sich nicht an den Deal halten. Die von der YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die bislang einen großen Teil der Grenzregion kontrollierten, reagierten zunächst nicht auf die Vereinbarung.

US-Präsident Donald Trump sprach von einem „großen Erfolg“ an der türkisch-syrischen Grenze. „Die Kurden sind sicher und haben gut mit uns zusammengearbeitet“, schrieb Trump auf Twitter. Am Abend teilte der US-Präsident mit, die Türkei habe gegenüber dem Weißen Haus eine dauerhafte Waffenruhe in Nordsyrien verkündet. Sie habe seine Regierung darüber informiert, dass sie die Offensive in Nordsyrien stoppen werde. Als unmittelbare Reaktion kündigte der US-Präsident an, die wegen der Offensive verhängten Sanktionen gegen die Türkei wieder aufheben zu wollen.

Der Abzug der US-Truppen aus dem Norden Syriens hatte den Vormarsch der Türkei gegen die YPG am 9. Oktober erst möglich gemacht. Die Türkei betrachtet die Miliz als Terrororganisation, für die USA war sie lange ein wichtiger Partner gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Eine Waffenruhe, die Washington und Ankara am vergangenen Donnerstag vereinbart hatten, war am Dienstagabend abgelaufen. Die Vereinbarung läuft ebenfalls auf einen Stopp der Kämpfe im Grenzgebiet heraus. Die USA spielen bei dem Deal allerdings keine Rolle mehr.

Putin unterstützt Syriens Präsident Baschar al-Assad, der Kremlchef unterhält aber auch gute Beziehungen zu Erdogan. Die beiden vereinbarten zudem, dass nach dem Abzug gemeinsame Patrouillen in einem zehn Kilometer tiefen Grenzstreifen beginnen sollen. Zwischen den Städten Tall Abjad und Ras al-Ain soll der „Status quo“ erhalten bleiben. Dort war die Türkei einmarschiert. Erdogan sagte auf seinem Rückflug von Sotschi, die Türkei habe sozusagen ein „Recht“ auf das Gebiet.

Im Gebiet „außerhalb“ des Areals sollen Türken und Russen gemeinsam patrouillieren. Das dürfte sich auf das mehr als 400 Kilometer lange Grenzgebiet zwischen dem Fluss Euphrat und der irakischen Grenze beziehen – dort hat Erdogan seit langem eine Sicherheitszone gefordert. Auch aus den Städten Manbidsch und Tal Rifat westlich des Euphrat sollen „alle YPG-Elemente und ihre Waffen entfernt werden“.

Das Abkommen soll auch Flüchtlingen eine Rückkehr ermöglichen. Durch die Türkei-Offensive waren nach UN-Angaben bis Anfang dieser Woche mehr als 150 000 Menschen vertrieben worden, davon 80 000 Kinder. Der Iran, der wie Russland Assad unterstützt, begrüßte das Abkommen mit der Türkei. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte dagegen, es sei noch zu früh, sich zu der Einigung zu äußern.

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