Wie Gröhe mit einem Zaubertrick den Hebammen helfen will

Berlin · Die Hebammen haben mit ihrer Klage über steigende Haftpflichtprämien die Herzen vieler Bürger gewonnen. Nun will die Regierung handeln – doch ob die Prämien gedrückt werden können, ist offen.

2,9 Millionen Euro - will man den Schaden nach einem Behandlungsfehler bei der Geburt in Geld bemessen, dann kann diese Summe herauskommen. 500 000 Euro machte in dem Fall das Schmerzensgeld für das behinderte Kind aus. Jahrelange Pflege kostete 910 000 Euro, der Verdienstausfall des Kindes wurde auf 500 000 Euro taxiert. Hinzu kamen Kosten für Heilbehandlungen, Hausumbauten und Anwälte. Zehn Jahre früher wurden in einem solchen Fall 340 000 Euro fällig - insgesamt.

Ein Vertreter der Versicherungswirtschaft erläuterte diese Beispiele in einer Arbeitsgruppe mehrerer Bundesministerien. Es waren schwierige Beratungen über Monate, doch die Zahlen machten den Ministerialen deutlich, woher das Problem vieler Hebammen rührt. Der medizinische Fortschritt lässt die Opfer von Geburtsfehlern länger leben, die Gerichte schrauben die Ansprüche in die Höhe - und mit den Schadenshöhen sind auch die Haftpflichtprämien für Geburtshelferinnen explodiert.

Es sind happige Summen, die da zu zahlen sind - 5091 Euro von Juli an. Entsprechend laut schlugen die Hebammenverbände Alarm. "Ein Sterben auf Raten" beklagten sie. Doch wie sollte die Politik reagieren? Sollte sie mit Steuergeld den Hebammen helfen? Wäre das angemessen? Immerhin geht es um Fälle, in denen Menschen zu Opfern von Fehlern geworden sind. Gröhe machte schnell klar: Betroffene und Angehörige sollten auf keinen Fall schlechter gestellt werden.

Und: Keineswegs alle der rund 21 000 Hebammen müssen die hohen Prämien zahlen. Diese werden für jene gut 3000 freiberuflichen Hebammen fällig, die Geburtshilfe leisten, nicht vor allem Vor- und Nachsorge. Doch auch unter ihnen kommen nicht alle durch die Prämien in Not. Denn die Kassen gleichen den Prämienanstieg insgesamt aus - als Zuschlag je abgerechneter Geburt. Wer also sehr viele Geburten betreut, kann einen Extragewinn verbuchen. Bei wenigen Geburten reichen die bisherigen Zuschläge nicht.

Eine Arbeitsgruppe der Ministerien wurde sich nicht recht einig. Nach reichlichem Abwägen ging Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nun mit einem Vorschlag in die Öffentlichkeit: Hebammen mit wenigen Geburten sollen Zuschläge bekommen. Und die Kassen sollen sich ihre Ausgaben für die Opfer von Fehlern nicht mehr wie bisher von der Hebammen-Haftpflicht zurückholen können. Diese müsste dann weniger zahlen, das wäre gut für die Prämien. "Ich erwarte mindestens eine Dämpfung", sagt Gröhe. Die Landesvorsitzende der Frauen Union Saar, Anja Wagner-Scheid, begrüßte das Maßnahmenpaket: "Hebammen brauchen eine sichere Zukunft, um ihrer sehr verantwortungsvollen und anstrengenden Tätigkeit nachgehen zu können."

Ob eine Dämfpung der Prämien gelingt, ist offen. Der Sprecher des Kassenverbands, Florian Lanz, meint: "So wie auch andere Berufstätige für ihre Fehler geradestehen müssen, sollte dies auch bei den Hebammen weiterhin so sein." Die Beitragszahler der Sozialversicherungen müssten davor bewahrt werden, statt der Haftpflichtversicherung die Folgekosten von Hebammenfehlern zu übernehmen.

Gröhe rechnet anders. Er meint, auch wenn die Kassen das Geld nicht zurückbekommen, könnte sich die Sache für sie sogar rechnen. Denn es fielen unter anderem Versicherungssteuern weg - und wenn das Manöver gelingt und die Prämien der Haftpflicht gedämpft werden, müssten die Kassen auch weniger Ausgleich zahlen. Ein wenig klingt es nach einem Zaubertrick - niemand soll schlechter gestellt, die finanziellen Probleme sollen dennoch entschärft werden.

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