Eine schwere Geburt

Saarbrücken · Seit Jahren steigen die Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen. Um sie zu entlasten, müssen Kassen künftig einen höheren Ausgleich zahlen. Doch die Hürden hierfür seien zu hoch, warnen Hebammenverbände.

Gute Nachricht für freiberuflich tätige Hebammen : Ihre Haftpflichtversicherung ist bis mindestens Mitte 2018 gesichert. Damit laufen die Geburtshelferinnen nicht länger Gefahr, ab Juli dieses Jahres ohne den notwendigen Schutz dazustehen, wenn der Vertrag des einzigen Versicherungsanbieters ausläuft. "Aber die Prämie wird erneut steigen", sagt die Vorsitzende des Saarländischen Hebammenverbands (SHV), Andrea Dansoko.

Aktuell zahlen sie pro Jahr 6274 Euro , zum 1. Juli steigt die Prämie um etwa neun Prozent auf 6842 Euro . 2017 ist eine weitere Erhöhung auf 7639 Euro vereinbart. Im Jahr 2004 lag der Beitrag noch bei 1352 Euro . Dies betrifft Hebammen , die freiberuflich Hausgeburten , Geburten in Geburtshäusern und Geburten in Kliniken betreuen. Im Saarland sind dies 67 der insgesamt rund 350 Hebammen . Zum Vergleich: Ohne Geburtshilfe zahlt eine freiberufliche Hebamme 470,20 Euro Haftpflichtprämie im Jahr.

Nach jahrelangem Streit bekommen freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe zur Entlastung von den gesetzlichen Krankenkassen einen erhöhten Ausgleich für die Haftpflichtprämien. Die ersten Geburtshelferinnen hätten am vergangenen Freitag je nach Versicherungshöhe zwischen 3270 Euro für ein halbes und 6540 Euro für ein ganzes Jahr überwiesen bekommen, teilte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit. Kritik kommt vom Deutschen Hebammenverband (DHV), der gegen die Regelung klagt. Das System sehe vor, dass es in jedem Fall Abzüge vom gezahlten Haftpflichtbeitrag gebe. "Im besten Fall bleibt die Hebamme immer mindestens auf 1953 Euro pro Jahr sitzen, die sie niemals ausgeglichen bekommt", so der DHV. Auch könnten zahlreiche Hebammen diesen Ausgleich gar nicht erst beantragen.

Die Hebammen sorgen sich, dass Geburtshelferinnen aufgrund der schwierigen Lage den Beruf an den Nagel hängen. "Es haben glücklicherweise im Saarland nur vereinzelt Hebammen die freiberufliche Geburtshilfe aufgegeben", sagt Dansoko. Problematisch sei jedoch die Auswirkung auf die Nachwuchssuche. Kamen im Jahr 2004 noch gut 800 Bewerbungen auf die 20 Plätze der in Saarbrücken ansässigen Hebammenschule, waren es 2015 nur noch zirka hundert. "Auf die allermeisten Absolventinnen wirkt die hohe Versicherungsprämie für die freiberufliche Geburtshilfe sehr abschreckend, sodass sie sich nicht in die Belegtätigkeit wagen", sagt Dansoko.

Grund für die steigenden Prämien ist nicht die Zunahme der Schadensfälle. Den Ausschlag geben die immer höheren Kosten für die Versicherer. Die besseren Behandlungsmöglichkeiten haben dazu geführt, dass auch schwerstgeschädigte Kinder lange leben. Die Versicherer müssen nicht nur für die Therapie- und Pflegekosten zahlen, sondern auch für Rentenansprüche, Schmerzensgeld und Weiteres. Die Kosten für einen schweren Geburtsfehler liegen nach Angaben der Versicherungskammer Bayern im Schnitt bei 2,9 Millionen Euro .

Abhilfe wollte der Bundesgesetzgeber schaffen: Das im Juni 2015 vom Bundestag verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz sieht auch eine Einschränkung des Regressanspruchs der Krankenkassen gegenüber freiberuflich tätigen Hebammen vor. Sie dürfen sich nun nicht länger ohne Weiteres die ihnen bei Behandlungsfehlern entstandenen Kosten von den Versicherern zurückholen.

Doch glauben die Hebammen nicht, dass sie künftig nicht mehr in Regress genommen werden. Denn der Regressverzicht soll nicht bei einem grob fahrlässigen Handeln der Hebammen greifen. Was darunter fällt, sei juristisch nicht definiert, sagt die DHV-Vorsitzende Martina Klenk. Die Vorschriften für Hebammen seien 2015 auf Druck der Kassen strenger geworden. Etwa beim Thema Hausgeburten wurden gegen den Willen der Hebammen Ausschlusskriterien eingeführt. So darf eine Frau nicht später als zwei Tage nach dem errechneten Geburtstermin zu Hause entbinden, ohne sich zuvor nochmals bei einem Arzt vorgestellt zu haben. Diese Kriterien seien nicht wissenschaftlich belegt - ein späterer Geburtstermin sei zudem nichts Ungewöhnliches und die Hälfte der Schwangeren davon betroffen, sagt Dansoko. Wenn eine Hebamme dennoch eine Hausgeburt durchführt, handelt sie nun künftig potenziell grob fahrlässig, fürchtet sie. Tritt dann ein Schadensfall auf, können die Kassen wie gewohnt den Regress für die Behandlungs- und Pflegekosten von der Hebamme zurückfordern. Der DHV rechnet mit einer "Prozesswelle", die auf die Hausgeburts- und Geburtshaushebammen zurollt.

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