Verlorene Stunden der Taktierer

Ein Wort macht nach den Pirouetten um die deutsche Griechenland-Hilfe im ehrwürdigen Bundestag die Runde: Kindergarten. Für Otto Normalverbraucher dürfte es nur schwer nachvollziehbar sein, warum es nun heute wohl keine breite Zustimmung im Parlament zum Gesetz über die Milliarden-Kredite für Athen geben wird

 SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier macht Union und FDP für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Foto: dpa

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier macht Union und FDP für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Foto: dpa

Ein Wort macht nach den Pirouetten um die deutsche Griechenland-Hilfe im ehrwürdigen Bundestag die Runde: Kindergarten. Für Otto Normalverbraucher dürfte es nur schwer nachvollziehbar sein, warum es nun heute wohl keine breite Zustimmung im Parlament zum Gesetz über die Milliarden-Kredite für Athen geben wird. "Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt", staunte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Denn bei dem Streit zwischen Union, FDP und SPD geht es nicht um die Entscheidung, ob Deutschland dem von der Staatspleite bedrohten Griechenland in den nächsten drei Jahren 22,4 Milliarden Euro leihen soll. Fast allen Abgeordneten ist klar, wie gefährlich eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands für die Stabilität des Euro wäre.

Der Kompromiss scheitert quasi an einem Wort in einer Resolution, die parallel zu dem Gesetz verabschiedet werden soll und zunächst keinerlei messbares Ergebnis bewirkt. Es geht nur um eine Forderung des Bundestags an die Regierung, die wiederum auf EU-Ebene etwas fordern soll. Das Zauberwort heißt "Finanztransaktionssteuer".

Mit ihr will die SPD Finanzinstitutionen an den Kosten von Krisen beteiligen und so klarmachen, dass nicht nur der kleine Steuerzahler blechen muss, wenn sich Staaten, Banken und Versicherungen verschulden beziehungsweise verzocken. Das Problem ist nur: Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist gegen eine solche Steuer. Die FDP hält es deshalb für Quatsch, sie in das Papier zu schreiben. Denn eine solche Abgabe erfüllte nur ihren Sinn, wenn sie international erhoben würde.

CDU und CSU hätten diese Steuer hingegen um des lieben Friedens willen und, weil es sich laut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um eine "ungewöhnlich ernste Situation" handelt, in dem Antrag erwähnt.

Dann hätte darin ein Passus gestanden, wonach sich die Regierung für die Prüfung der Einführung einer solchen Steuer einsetzen solle. Prüfen könne man immer. Im übrigen interessierten sich die Menschen für eine solche Absichtserklärung in einem vergleichsweise wenig relevanten Entschließungsantrag ungefähr so stark wie für den berühmten Sack Reis, der in China umfällt.

Doch alle Anstrengungen der Fraktionen sind am Abend dahin. Das alles darf sicher nicht ohne einen Blick nach Nordrhein-Westfalen bewertet werden, wo am Sonntag Landtagswahl ist und laut Umfragen die dortige schwarz-gelbe Landesregierung ihre Mehrheit verlieren könnte. Für Merkel wäre es ein herber Rückschlag, wenn gleich der erste Test nach der Bildung der schwarz-gelben Koalition im Bund daneben ginge.

Die Griechenland-Krise sei für die CDU vor der NRW-Wahl ein "Riesenproblem", wird in der Union eingeräumt. Den möglichen Zorn der Bürger sowie der Wähler in NRW dürfte auch Merkel im Blick haben. Es heißt, sie habe die SPD nicht nur als wichtiges Signal deutscher Solidarität an Europa mit ins Boot holen wollen, sondern auch, um die Verunsicherung im Land nicht nur auf die Union schwappen zu lassen.

Möglicherweise in ihrem Selbstbewusstsein durch Umfragewerte just gestern Nachmittag bestärkt, wonach Rot-Grün in NRW vor Schwarz-Gelb (allerdings ohne absolute Mehrheit) liegen könnte, lässt die SPD die Verhandlungen mit der Koalition über die Resolution platzen. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil hatte am Vormittag gesagt, der Versuch der Koalition, die SPD vor der NRW-Wahl in die "europafeindliche Ecke" zu stellen, werde scheitern. Das Gegenteil sei richtig: Die Leute würden es nicht verstehen, wenn die SPD bedingungslos die Milliarden für Athen durchwinken würde.

In den umstrittenen Entschließungsantrag wollen Union und FDP nun aber eine Formulierung aufnehmen, wonach Deutschland sich international dafür einsetzt, dass die IWF-Vorschläge zur Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten von Finanzkrisen umgesetzt werden. Der IWF schlägt eine Art Mehrwertsteuer für Banken vor. Die unmissverständlichsten Botschaften waren von Anfang an von den Grünen und den Linken geschickt worden. Die Grünen werden mit Ja stimmen und die Linken mit Nein. Die SPD will sich nun enthalten. Die Koalition habe durch ihre "Begleitmusik" das Vertrauen in diese Gespräche zerstört, meinte Steinmeier.

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