Obama auf den Spuren Kennedys

Herzlich begrüßt der ältere Herr mit den grauen Haaren den Kellner in dem kleinen Kreuzberger Café. Er legt seine Zeitung auf den Tisch.

"Die Kuchen sind hier ganz wunderbar", sagt Jerry Gerber und lächelt. Seit 60 Jahren lebt der gebürtige New Yorker in Deutschland. Der Mitbegründer der Berliner "Democrats Abroad", einer Organisation der amerikanischen Demokraten im Ausland, war bei John F. Kennedys historischer Rede am Schöneberger Rathaus dabei. Auch er hörte dort Kennedys berühmten deutschen Satz "Ich bin ein Berliner".

Der Präsident begeisterte damit mehr als 400 000 Berliner, die sich auf dem Platz vor dem Regierungssitz West-Berlins drängten. Kennedy unterstrich mit seiner Rede den Willen der USA, den Freiheitswillen der Berliner zu unterstützen. Die Mauer sei "die abscheulichste und stärkste Demonstration über das Versagen des kommunistischen Systems", sagte er. Der Höhepunkt folgte am Ende: "Alle - alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner!" Der US-Präsident hatte sich den letzten Satz von seinem Dolmetscher per Lautschrift auf einem Karteikärtchen notieren lassen. "Ish bin ein Bearleener", stand da.

"Es war wunderschönes Sommerwetter. Wir liefen hin, es waren unglaublich viele Leute da", erinnert sich der heute 84-jährige Jerry Gerber. Dass sie gerade eine historische Rede gehört hatten, sei ihnen hinterher zuerst nicht bewusst gewesen. Einige junge Leute hätten den Witz "Ich bin ein Pfannkuchen" gemacht, ein Wortspiel mit dem Gebäck Berliner.

"Die Reaktion der Berliner war eine andere, die sagten, er versteht uns. Ich merkte erst später, wie entmutigt sie waren." Kennedys Rede habe den Berlinern wieder Hoffnung gegeben. Die Menschen in der geteilten Stadt hätten sich zuvor von den Amerikanern im Stich gelassen gefühlt, erinnert sich der ehemalige Rundfunkjournalist. "Ich konnte sehen, wie traurig und sogar wütend die Berliner waren. Der Sommer 1962 war einer der kältesten in Berlin, das passte auch zur Stimmung." Der Mauerbau im Jahr zuvor hatte bei den Bewohnern der Hauptstadt Spuren hinterlassen. "Die Berliner waren sauer auf die Amerikaner und Kennedy, eine wunderbare Freundschaft drohte kaputt zu gehen." Kennedys Worte am Schöneberger Rathaus kamen genau richtig.

Fast 50 Jahre nach Kennedys berühmter Rede besucht nun ein anderer amerikanischer Hoffnungsträger Berlin. Der derzeitige Präsident Barack Obama wird morgen am Brandenburger Tor eine Rede halten. Die Erwartungen sind hoch: Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, rechnet fest damit, dass auch Obama einen markanten Satz für die Geschichtsbücher finden wird. Der Präsident werde zudem die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen herausstellen und "auch die Europäer daran erinnern, dass wir in unserer Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen müssen". Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler erwartet "aktuelle Aussagen zur amerikanischen Position in Sachen Syrien und Iran", wie er der Saarbrücker Zeitung sagte.

Auch Jerry Gerber und die anderen "Democrats Abroad" blicken gespannt auf den Besuch. "Die Messlatte liegt hoch, er muss eine tolle Rede halten", sagt David Knutson, Vorsitzender der US-Demokraten in Berlin. "Für mich ist es das erste Mal, dass ich ihn sprechen sehe, ich bin sehr aufgeregt", meint die Demokratin Gwendolyn Lynch. "Mein Freund war mit deutschen Kollegen beim Mittagessen, sie sprachen darüber, wie begeistert sie seien, dass Obama kommen wird. Es ist schön, einen Präsidenten zu haben, den die Deutschen mögen." So wie Kennedy zu seiner Zeit sei auch Obama anders und modern. Jerry Gerber sieht das etwas nüchterner. "Obama hat viel Hoffnung gegeben, aber wir haben gelernt, dass man nicht alles ändern kann, indem man darüber redet. Am Anfang hat er das Image Amerikas verbessert." Mittlerweile sei das fast ein bisschen verblasst. "Ich finde, er ist ein großartiger Präsident, aber er könnte noch großartiger sein." John F. Kennedy dagegen sei eine Legende.

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