„Mehr Lächeln als Zeigefinger“

Rom · Deutschlands zehnter Kardinal hat seiner Kirche Zeit seines Lebens im Stillen gedient. Jetzt nimmt Papst Franziskus Karl-Josef Rauber überraschend in das höchste kirchliche Gremium auf.

Karl-Josef Rauber wohnt in diesen Tagen im Collegio Teutonico, dem deutschen Priesterseminar auf Vatikanboden. Ein paar Meter weiter links ist Papst Franziskus sein Nachbar im Gästehaus Santa Marta, einen kleinen Spaziergang den Vatikanhügel nach oben wohnt der emeritierte Papst Benedikt XVI . im Kloster Mater Ecclesiae.

Am Samstag kürt Franziskus den 1934 geborenen Nürnberger mit anderen 19 Bischöfen im Petersdom zum Kardinal. Weil er bereits über 80 Jahre alt ist, hätte Rauber kein Wahlrecht beim nächsten Konklave. Die Nominierung ist in erster Linie eine Ehre.

Rauber war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2010 Jahrzehnte lang im Dienst der Kurie, vor allem als päpstlicher Diplomat. Franziskus räumt der Diplomatie in seinem Pontifikat wieder eine stärkere Rolle ein, aber das ist nur einer der Gründe, warum Rauber ab Samstag zur katholischen Elite gehören wird. "In gewissem Sinn ist seine Nominierung eine Rehabilitierung", sagt der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, ein Intimus des jetzigen Papstes. Raubers Freund, der Mainzer Bischof und Kardinal Karl Lehmann spricht von einer "späten Anerkennung seiner Verdienste". Über die ist man sich allerdings immer noch nicht ganz einig im Vatikan .

Rauber war lange als Apostolischer Nuntius, also als Botschafter tätig, etwa in der Schweiz, in Ungarn und in Belgien. Aber anstatt ein simpler Erfüllungsgehilfe Roms zu sein, gab er den Anliegen der Ortskirchen und Gläubigen viel Gewicht. Seine Haltung umschreibt er salopp mit "mehr Lächeln als Zeigefinger". Und darin ist Rauber dem amtierenden Papst durchaus ähnlich. Der forderte bei einer Rede vor den apostolischen Diplomaten im Juni 2013, sie sollten Hirten und in erster Linie für die Menschen da sein. Mit dieser Haltung sorgte Rauber im Vatikan früher mehrmals für Unverständnis. Nachdem er unter Johannes Paul II. 1991 als Sondergesandter in das Schweizer Bistum Chur geschickt wurde, wo der konservative Bischof Wolfgang Haas die Gläubigen und weite Teile des Klerus gegen sich aufgebracht hatte, wurde Rauber mehrmals vom damaligen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano und dem Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger gerügt. Rauber stehe nicht hinter dem romtreuen Bischof, sondern arbeite gegen ihn, hieß es. "Aus Rom wurde ich damals nicht besonders unterstützt", erzählt Rauber heute. Sodano, dem ein konfliktreiches Verhältnis zu Franziskus nachgesagt wird, sorgte dafür, dass Rauber nach Budapest versetzt wurde.

Als Nuntius in Belgien (2003-2009) wiederholte sich der Zwist. Jetzt war Benedikt XVI . Papst mit einer Vorliebe für theologisch präparierte, führungskräftige Kirchenmänner. Als es zur Neubesetzung des wichtigen Bischofssitzes von Mechelen-Brüssel kam, setzte sich der Vatikan über Raubers Vorschläge hinweg. Neuer Bischof wurde der konservative Theologe André-Joseph Léonard, dem Rauber Defizite in der Seelsorge nachsagte. Theologen sollten nicht in die Diözesen, sondern an die Universität, forderte Franziskus vor kurzem. Darin und in anderen Fragen sind sich Rauber und Jorge Mario Bergoglio einig. Nach den Feierlichkeiten in Rom wird der Neu-Kardinal dann wieder zurückkehren ins Schönstatt-Kloser in Ergenzingen bei Rottenburg, wo er seinen Lebensabend verbringt.

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