Krisenmanagerin mit Talent zur Herzlichkeit

Saarbrücken/Püttlingen. Der heute 82-jährige Gärtnermeister Josef Strauß aus Püttlingen war sich vor 31 Jahren sicher, ein politisches Nachwuchstalent entdeckt zu haben. Der Kommunalpolitiker und örtliche CDU-Chef überzeugte die damals 19 Jahre alte Annegret Kramp, sich in der Lokalpolitik zu engagieren

 Annegret Kramp-Karrenbauer, heute als saarländische Ministerpräsidentin (links) und 1998, als sie erste Gehversuche auf bundespolitischem Parkett wagte. Fotos: Dietze/Becker&Bredel

Annegret Kramp-Karrenbauer, heute als saarländische Ministerpräsidentin (links) und 1998, als sie erste Gehversuche auf bundespolitischem Parkett wagte. Fotos: Dietze/Becker&Bredel

Saarbrücken/Püttlingen. Der heute 82-jährige Gärtnermeister Josef Strauß aus Püttlingen war sich vor 31 Jahren sicher, ein politisches Nachwuchstalent entdeckt zu haben. Der Kommunalpolitiker und örtliche CDU-Chef überzeugte die damals 19 Jahre alte Annegret Kramp, sich in der Lokalpolitik zu engagieren. Drei Jahre später übernahm die Jung-Politikerin ihr erstes Mandat im Stadtrat ihrer Heimatstadt, einer CDU-Hochburg. Es folgte eine außergewöhnliche Polit-Karriere mit wenigen Stolpersteinen. Im August 2011 wurde die dreifache Mutter, die seit 28 Jahren verheiratet ist und den langen Doppelnamen Kramp-Karrenbauer führt, im zweiten Wahlgang von der später geplatzten Jamaika-Koalition erstmals zur Ministerpräsidentin gewählt. Nach der vorgezogenen Landtagswahl bestätigte die große Koalition aus CDU und SPD sie im Mai in diesem Amt. Heute feiert "AKK", wie sie wegen ihres Zungenbrecher-Namens kurz genannt wird, ihren 50. Geburtstag. Morgen ist sie exakt ein Jahr Regierungschefin. Die "kleine Ochsentour" durch die CDU-Gremien auf Orts-, Kreis- und Landesebene führte das Nachwuchstalent 1984 in den Landesvorstand der Jungen Union (JU), der CDU-Nachwuchsorganisation. Dort traf sie Peter Müller, späterer Ministerpräsident, der damals JU-Landeschef war.Erste Gehversuche auf bundespolitischem Parkett wagte Kramp-Karrenbauer 1998. Für Klaus Töpfer rückte sie einige Monate in den Bundestag nach, galt als eher schüchterne Hinterbänklerin. Es gelang ihr nicht, das Mandat zu verteidigen - einer der wenigen Rückschläge ihrer Karriere. Zurück im Saarland machte Peter Müller, inzwischen Oppositionsführer, sie zu seiner persönlichen Referentin. 1999 wurde die Püttlingerin erstmals in den Landtag gewählt, verzichtete auf Wunsch Müllers darauf, für Peter Jacoby wieder in den Bundestag nachzurücken. Nach einem Jahr ernannte Müller sie als erste Frau in Deutschland zur Innenministerin. Die zielstrebige und ehrgeizige Ministerin wurde für Müller zur politischen Allzweckwaffe mit der Gabe, sich in kürzester Zeit sachkundig zu machen, in fremde Themen einzuarbeiten: 2007 musste sie als Krisenmanagerin (G 8) an die Spitze des Bildungsressorts, in der Jamaika-Regierung machte er sie zur Superministerin für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport. Anfang 2011 wurde sie als Wunschnachfolgerin Müllers vorgestellt. Jamaika-interne Kritiker, die aber nie richtig laut wurden, sprachen von der "Kronprinzessin".

Die Ministerpräsidentin zählt sich selbst zum linken Flügel der CDU. Bundesweit Schlagzeilen machte AKK im Januar 2012: Am Dreikönigstag griff sie konsequent durch, kündigte - zwar hoch nervös, aber äußerlich eiskalt - für viele überraschend und gegen den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel die erste Jamaika-Koalition auf - wegen chaotischer Zustände bei der FDP. Merkel informierte sie kurz vor den Medien - per SMS.

Mit dem Bruch der Dreier-Koalition riskierte Kramp-Karrenbauer, als Saar-Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichtsbücher einzugehen. Der umworbene Koalitionspartner SPD setzte im Umfragehoch auf Neuwahlen und Sieg. Kramp-Karrenbauer demonstrierte mit Erfolg Bürgernähe. Die CDU-Chefin mit besten Drähten zur SPD holte - trotz eines Untersuchungsausschusses wegen ihrer Rolle in der millionenschweren Affäre um den vierten Museumspavillon - im Endspurt deutlich auf. Immerhin hatte sie in der Museumsaffäre selbstkritisch Fehler eingeräumt. Mit dem Wahlerfolg wuchs zweifellos ihr Gewicht und parteiinternes Ansehen auf Bundesebene. Schließlich konnte kein anderer CDU-Regierungschef in den vergangenen Jahren eine Landtagswahl gewinnen. In ihrer neuen Rolle kann sich die sachorientierte Saarländerin, der "Talent zur Herzlichkeit" nachgesagt wird, auch leisten - wegen Terminen im eigenen Land - ohne Imageverlust bei einer Fernseh-Talk-Show abzusagen.

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Ihr politischer Ziehvater Josef Strauß ist übrigens heute, wenn Familienmensch Kramp-Karrenbauer zur privaten Geburtstagsfeier lädt, ein Ehrengast.

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