Knappes Rennen in Wien

Wien · Bei der Wahl in Österreich entscheiden die Briefwähler über den endgültigen Ausgang. Die beiden Kandidaten für das Präsidentenamt, Van der Bellen und Hofer, lagen am Abend bei den Stimmen nahe beieinander.

 Alexander Van der Bellen (Grüne) und Norbert Hofer (FPÖ) lagen gestern bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Österreich gleichauf. Foto: Christian Bruna/dpa

Alexander Van der Bellen (Grüne) und Norbert Hofer (FPÖ) lagen gestern bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Österreich gleichauf. Foto: Christian Bruna/dpa

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Bei der Präsidentenwahl in Österreich gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwar holte der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer , laut vorläufigem Endergebnis 51,9 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent, der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen, erhielt nur 48,1 Prozent, wie das Innenministerium in Wien gestern mitteilte. Doch berücktsichtigte das Ergebnis noch nicht die Stimmen der Briefwähler, die werden erst heute ausgezählt. Rund 14 Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten machten von der Möglichkeit Gebrauch. Und traditionell neigen Briefwähler eher nicht zu den Rechtspopulisten . Laut Hochrechnungen, die alle Stimmen mit einrechnen, gibt es wohl einen Gleichstand zwischen den Kandidaten. Beide kommen auf exakt 50 Prozent.

Die Österreicher standen vor einer Richtungswahl: der Rechtspopulist Hofer mit seinem Slogan "Österreich zuerst", seiner Kritik an der EU und seiner "Mann des Volkes"-Attitüde auf der einen Seite. Er wäre der erste Rechtspopulist an der Spitze eines EU-Staates.

Auf der anderen Seite der EU-freundliche, weltgewandte und manchmal eher unnahbar wirkende Van der Bellen. "Es war eine Entscheidung zwischen 'national' und 'international'", sagte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Van der Bellen lag gestern sogar zeitweise vorne. Den Ausschlag für das extrem knappe Rennen gab aber nicht die Persönlichkeit des 72-Jährigen. Vielmehr war es gelungen, eine "Anti-Haltung" zu Hofer, der im Vorfeld als Favorit galt, bei vielen Wählern zu erzeugen. Laut einer Analyse der Sozialforschungsinstituts Sora haben 19 Prozent der Hofer-Wähler und 36 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler erstmals für einen Kandidaten der FPÖ oder der Grünen gestimmt.

Unabhängig vom Ergebnis ist klar, dass sich Österreich tief zerissen präsentiert. "Wir sind ein gespaltenes Land", sagte der Chef der liberale Neos, Matthias Strolz, im ORF. Es bleibe die Sehnsucht nach einem neuen Politikstil, dem Abschied von verkrusteten Machtstrukturen.

"Der Wunsch nach Veränderung ist groß", meinte der Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, Wolfgang Bachmayer. Inwieweit die vielen Prominenten, die dem Ex-Grünen-Chef öffentlich beigesprungen waren, einen Einfluss auf das Ergebnis hatten, ist unklar. "Der erhobene Zeigefinger der Eliten reicht nicht mehr - und ist vor allem aus dem Ausland kontraproduktiv", gibt Bachmayer eher kritisch zu bedenken.

Hofer wollte mit einer "aktiven" Amtsführung den "schlafenden Riesen" namens Bundespräsident wecken. Dabei wagte er sich aber auch mit seinen Versprechen, zum Beispiel für mehr Volksabstimmungen sorgen zu wollen, auf glattes Eis. "Für Volksabstimmungen , die vom Volk initiiert werden, fehlt in Österreich jede gesetzliche Grundlage", sagt Stainer-Hämmerle. Möglicherweise hat mancher Wähler auch eine Kluft zwischen Schein und Sein beim FPÖ-Mann ausgemacht.

Angesichts von rund 50 Prozent der Stimmen für einen Rechtspopulisten ist nach Meinung der Experten aber auch klar, dass eine reine "Anti-Haltung" nicht mehr ausreicht. "Die jahrzehntelange funktionierende Strategie, Angst vor Rechts zu verbreiten, könnte vor ihrem Ende stehen", sagt Bachmayer.

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