Kritik an geplanter Reform des Naturschutzes

Brüssel · Erst im vergangenen Jahr erhielt Deutschland einen Mahnbrief aus Brüssel. Für den Schutz von Fauna und Flora werde zu wenig getan. Jetzt will die EU-Kommission die Regeln für den Naturschutz offenbar deutlich lockern.

 Verwässert die EU bald den Schutz für Laubfrösche und andere Arten? Foto: Woitas/dpa

Verwässert die EU bald den Schutz für Laubfrösche und andere Arten? Foto: Woitas/dpa

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Dem Feldhamster geht es schlecht. Die Rotbauchunke erholt sich nicht und selbst der Laubfrosch gilt noch immer als bedroht. Doch statt Besserung droht offenbar eine deutliche Verschlechterung der Lage, seitdem der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker , angekündigt hat, die derzeitige Vogelschutz- und die Naturschutz-Richtlinie zu überprüfen und dann zusammenzulegen. "Die drohende Reform setzt die Naturschutzerfolge aus 20 Jahren aufs Spiel", warnt der Umweltverband WWF Deutschland. Heute stellt er ein Rechtsgutachten des Instituts für Naturschutz und Naturschutzrecht in Tübingen vor, das der SZ vorab vorlag. Bilanz: "Die Bewahrung unserer Umwelt soll unter einem fadenscheinigen Modernisierungsvorwand zugunsten der Wirtschaft abgeschwächt werden", wie es WWF-Experte Günter Mitlacher ausdrückt.

Tatsächlich befürchten die Gutachter, dass der bisherige, exklusive Schutz der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) stark eingeschränkt werden könnte, unter anderem weil die derzeit verpflichtende Suche nach Ausgleichsflächen gestrichen wird. Mit Inkrafttreten der europäischen Vorschrift mussten die Mitgliedstaaten Natura-2000-Regionen ausweisen, die fortan geschützt waren. Ein Bauprojekt, das diese Gebiete berührt oder gar zerstört hätte, war nicht erlaubt. Nur in wenigen, strikt reglementierten Ausnahmen konnte weitergebaut werden, aber dann waren Ausgleichsflächen nötig, bedrohte Tiere sollten umgesiedelt werden.

Vor allem die großen Wirtschaftsverbände, aber auch Landwirte und Forstbesitzer hatten diese Auflagen häufig kritisiert. "In Planungs- und Genehmigungsverfahren führen die teils unverhältnismäßigen und vielfach unbestimmten Vorgaben zu großen Rechtsunsicherheiten und Verfahrensverzögerungen", rügte beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI ) die geltende Rechtslage.

Nicht nur der WWF, auch andere Umweltverbände gehen davon aus, dass Brüssel die Hürden nun senkt oder gar ganz streicht. Das wäre, so heißt es in dem Gutachten, fatal. Der Schutz durch die EU-Richtlinien soll die Naturschutz-Regionen eigentlich wiederherstellen. Das wäre auch nötig. Nur 16 Prozent der ausgewiesenen FFH-Flächen in der EU haben sich inzwischen erholt, 77 Prozent befinden sich nach wie vor in einem "schlechten Erhaltungszustand", stellte die EU-Kommission 2015 in einem Resümee fest. Auch Deutschland erhielt einen Mahnbrief der Kommission, der auf elf Seiten Versäumnisse, Schlampereien und mangelnden Schutz für Fauna und Flora auflistete. Zwar hat Deutschland gut 4600 FFH-Gebiete nach Brüssel gemeldet, die 9,6 Prozent der Landesfläche ausmachen. Aber für 2663 Regionen haben die Bundesländer bis heute keine Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung festgelegt. Das saarländische Umweltministerium kündigte zuletzt an, die Bemühungen zu verstärken, um das Ziel, 125 Gebiete mit einer Gesamtfläche von rund 30 000 Hektar, zu erreichen. Ende vergangenen Jahres waren es erst 59.

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