Katerstimmung auf der Krim

Jalta/Saarbrücken · Die Menschen auf der Krim verfolgen die Ukraine-Wahlen nur noch als Zaungäste. Seit der Annexion durch Russland hat sich dort vieles verändert. Das erfuhren auch die saarländischen Dokumentarfilmer Manfred und Sebastian Voltmer, die auf der Krim an einem Film-Festival teilnahmen.

 Manfred und Sebastian Voltmer, hier vor Mitgliedern der Schwarzmeer-Flotte. Foto: Voltmer

Manfred und Sebastian Voltmer, hier vor Mitgliedern der Schwarzmeer-Flotte. Foto: Voltmer

Foto: Voltmer

"Bitte, setzen sie sich doch. Sie sind meine ersten Gäste heute." Die freundlichen Worte des blonden Mittdreißigers in einem kleinen Restaurant in Jalta sind eigentlich nichts Besonderes. Nur: Es ist schon Nachmittag, mitten auf der Uferpromenade eines Ortes, der eigentlich als "das Monaco der Krim " gilt, und es ist Urlaubssaison. "Es war nur eine von vielen Szenen, die mich bei dieser Reise verstört haben", sagt Manfred Voltmer. An ihn waren die Worte des Kellners gerichtet. Voltmer und dessen Sohn Sebastian, zwei saarländische Dokumentarfilmer , waren vor wenigen Tagen auf der Schwarzmeer-Halbinsel, weil sie mit einem Beitrag beim "Internationalen Anti-Kriegsfilm-Festival Moskau" nominiert waren. Das Festival fand "auf Order Wladimir Putins" dort statt. Der Kremlchef habe mit dieser Entscheidung ein Zeichen setzen wollen, dass die Krim , um die vor wenigen Monaten noch heftig gerungen wurde, "ein für allemal zu Russland gehört", sagt Manfred Voltmer, der über Jahrzehnte als Filmjournalist beim Saarländischen Rundfunks arbeitete.

Heute, im Oktober, habe sich nach anfänglicher Euphorie vielerorts "Katerstimmung" breitgemacht. Gerade bei den Menschen, die direkt oder indirekt vom Tourismus leben. Also etwa die Hälfte der zwei Millionen Krim-Bewohner. Ihr Problem ist: "Es kommen keine Urlauber mehr aus Europa." Das beklagte auch der Restaurantbesitzer in Jalta. Ein Bericht der "Moskauer Deutschen Zeitung" bestätigt diese Einschätzung: Zählte der Küstenort 2013 noch 78 000 Kreuzfahrtpassagiere auf 109 Schiffen aus dem Westen, lief in diesem Jahr bislang nur ein einziges Kreuzfahrtschiff Jalta an - mit 336 Passagieren. In Sewastopol, der größten Stadt der Krim , seien die Zahlen ähnlich dramatisch eingebrochen.

"Gefühlt jeder zweite Laden an den Promenaden buhlte mit Rabatten bis 90 Prozent um das Geld der wenigen Touristen", sagt Voltmer. An der Universität von Sewastopol traf Voltmer eine Gruppe von Germanistik-Studenten. "Sie hatten alle Angst, was aus ihrer Zukunft wird." Nicht nur, weil sie als Übersetzer oder Fremdenführer für die einst zahlreichen Deutschen arbeiten wollten. Sie wissen nicht mal, wie es mit ihrem Studium weitergeht. Früher hätten sie die Eltern noch unterstützen können. Heute sei es oft umgekehrt.

Am Ende prägte sich Voltmer ein Satz ein, den er in mehreren Orten der Krim gehört hatte. "Ich bereue, dass ich für Putin und die Angliederung an Russland gestimmt habe."

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