Irland droht ein Flächenbrand

Dublin. Als Irlands Ministerpräsident Brian Cowen am Sonntag für die notleidenden Staatsfinanzen unter dem Euro-Rettungsschirm Schutz suchte und im selben Atemzug sein Volk zur Solidarität aufrief, schwante ihm schon nichts Gutes. Er sollte Recht behalten. Die Inselrepublik ist tief gespalten und jetzt zeigt sie dies auch

 Irlands Wirtschaft ist in einer Krise, die ohne Rettungsmaßnahmen am Ende noch die europäische Gemeinschaftswährung in Rauch auflösen könnte. Foto: dpa

Irlands Wirtschaft ist in einer Krise, die ohne Rettungsmaßnahmen am Ende noch die europäische Gemeinschaftswährung in Rauch auflösen könnte. Foto: dpa

Dublin. Als Irlands Ministerpräsident Brian Cowen am Sonntag für die notleidenden Staatsfinanzen unter dem Euro-Rettungsschirm Schutz suchte und im selben Atemzug sein Volk zur Solidarität aufrief, schwante ihm schon nichts Gutes. Er sollte Recht behalten. Die Inselrepublik ist tief gespalten und jetzt zeigt sie dies auch. Die Grünen, Juniorpartner von Cowens Partei Fianna Fáil in der Regierung, gingen gestern stiften und forderten Neuwahlen. Der Regierungschef gab der Forderung am Abend nach. Einen genauen Wahltermin nannte er nicht.

Die Labour-Opposition forderte unterdessen die sofortige Auflösung des Parlaments und irische Medien brachten Meldungen, wonach unabhängige Abgeordnete durchblicken ließen, sie werden den Haushalt 2011 mit seinen massive Kürzungen von sechs Milliarden Euro nicht mittragen. Cowen hat im Parlament nur eine hauchdünne Mehrheit und ist neben den Grünen auf mindestens einen der Unabhängigen angewiesen, will er die Regierungsbeschlüsse durchboxen. Im Gleichschritt mit der ökonomischen ist jetzt auch die politische Krise in Irland perfekt.

Die Experten in Irland wundern sich. "Wir dachten, wir sind über den Berg", sagt Ralf Lissek, Geschäftsführer der deutsch-irischen Handelskammer. Die Exporte zogen zuletzt stark an, die Zeichen standen wieder auf Wachstum. Viele ausländische Unternehmen mit tausenden Arbeitsplätzen hatten sich auf der grünen Insel niedergelassen und eine moderne Infrastruktur geschaffen.

Doch offensichtlich wurde im Finanzministerium falsch gerechnet. Was Finanzminister Brian Lenihan noch am 30. September als "Schlussrechnung" bezeichnet hat - staatliches Zubuttern für die nach einer geplatzten Immobilienblase maroden Banken in Höhe von insgesamt 50 Milliarden Euro - ist offensichtlich längst nicht das Ende der Fahnenstange.

Und es sind nicht nur die Banken. Kleinlaut mussten Lenihan und Cowen am Sonntagabend auch zugestehen: Die laufenden Kosten aus dem Haushalt sind mit 19 Milliarden Euro unterfinanziert. Mit anderen Worten: Fast ein Drittel fehlt. Zuvor hatten beide Politiker mehrmals und übereinstimmend gesagt: "Der Haushalt ist bis 2011 durchfinanziert." Viele Iren entluden ihre Wut darüber am Montag bei Demonstrationen vor dem Parlament. "Lügner" war noch eine der milderen Beschimpfungen für die Polit-Führung ihres Landes.

Harte Auflagen von der EU

Die Iren sind ein stolzes Volk. 1916 erfochten sie bei einer Rebellion gegen die Briten die Grundlage für die spätere Unabhängigkeit. Weil Banker und Politiker ihren Job nicht gemacht haben, müssen sie sich nun von Finanzbeamten aus Brüssel fernsteuern lassen. Von derselben EU, deren Lissabon-Vertrag sie eigentlich mehrheitlich ablehnten und zu deren Annahme sie sich in einem zweiten Referendum überreden ließen - von ihrem Ministerpräsidenten, Brian Cowen. Solange der noch im Amt ist, muss er seinen Landsleuten nun weitere Schmerzen zufügen. "Irland wird nicht länger eine Niedrigsteuer-Volkswirtschaft sein", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn dem Sender RTE. Die Iren werden nicht darum herumkommen, ihre Steuern massiv anzuheben, um ihren Beitrag zur Haushaltssanierung zu leisten. Eine Reichensteuer und eine Immobilienabgabe sind im Gespräch. Ferner könnten die Iren bald für ihr Trinkwasser zahlen müssen - das ist bisher kostenlos. Auch bei den Ausgaben im öffentlichen Dienst scheint noch Luft zu sein. "Die Gehälter für Lehrer, Ärzte und den gesamten Verwaltungsapparat liegen um 20 Prozent über dem deutschen Schnitt", sagt Ralf Lissek von der deutsch-irischen Handelskammer.

Die Wirtschaft in Irland läuft jetzt schon Sturm. Ausländische Unternehmen sind für irische Exporte in Höhe von 110 Milliarden Euro jährlich verantwortlich, rechnet die US-Handelskammer vor. Das sind 70 Prozent der Gesamtausfuhren. Investoren aus dem Ausland schufen 240 000 Jobs und stehen für 55 Prozent der Unternehmensteuer-Einnahmen gerade.

Vor allem amerikanische Unternehmen waren es, die mit der Ansiedlung im einzigen englischsprachigen Land der Euro-Zone Irland zum keltischen Tiger gemacht hatten. "Im Wettbewerb um Arbeitsplätze konkurrieren wir nicht mit der EU, sondern mit Singapur, Indien und China", lautet ein Statement der Kammer, hinter das sich auch die Irland-Chefs von Unternehmen wie Intel stellten.

Hintergrund

Die Körperschaftssteuer, um deren Höhe in Irland derzeit gefochten wird, ist das Pendant für Unternehmen zur Lohn- oder Einkommensteuer für Arbeiter und Angestellte. Irland verlangt von seinen Unternehmen 12,5 Prozent Körperschaftssteuer. Macht ein Unternehmen also "vor Steuern" 1000 Euro Gewinn, werden darauf 125 Euro Körperschaftssteuer fällig.

 Irlands Wirtschaft ist in einer Krise, die ohne Rettungsmaßnahmen am Ende noch die europäische Gemeinschaftswährung in Rauch auflösen könnte. Foto: dpa

Irlands Wirtschaft ist in einer Krise, die ohne Rettungsmaßnahmen am Ende noch die europäische Gemeinschaftswährung in Rauch auflösen könnte. Foto: dpa

Damit liegt das Land deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Malta ist unter den 27 Mitgliedsländer Spitzenreiter mit 35 Prozent. Deutschland erhebt seit der Unternehmenssteuerreform von 2008 nur noch 15 Prozent und liegt damit ebenfalls klar unter dem Mittel der EU-Länder. In Deutschland wird allerdings zusätzlich Gewerbesteuer fällig, deren Höhe von Gemeinde zu Gemeinde zum Teil stark schwankt. dpa

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