Irland wartet auf den Neuanfang

London/Dublin. Nach wochenlangen politischen Turbulenzen ist das irische Parlament gestern aufgelöst worden. Der scheidende Premierminister Brian Cowen und die Präsidentin der Republik, Mary McAleese, unterschrieben am Nachmittag die offizielle Erklärung. Die Neuwahlen wurden für den 25. Februar angesetzt

London/Dublin. Nach wochenlangen politischen Turbulenzen ist das irische Parlament gestern aufgelöst worden. Der scheidende Premierminister Brian Cowen und die Präsidentin der Republik, Mary McAleese, unterschrieben am Nachmittag die offizielle Erklärung. Die Neuwahlen wurden für den 25. Februar angesetzt.Cowen war im Mai 2008 zum Premier ernannt worden - kurz danach platzte die Immobilienblase im Land, und die Finanzkrise brach mit voller Wucht über Irland herein. Nachdem das Land im Dezember Finanzhilfe von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte annehmen müssen, geriet Cowen immer stärker in die Kritik. Eine missglückte Kabinettsumbildung zwang Cowen vor rund einer Woche schließlich dazu, den Vorsitz über die regierende Fianna-Fail-Partei aufzugeben. Kurz darauf kündigte der grüne Koalitionspartner ihm die Zusammenarbeit auf.

Nach einer 27-jährigen politischen Karriere wird sich Cowen völlig ins Privatleben zurückziehen. Dieses Opfer kann die Niederlage von Fianna Fail bei den Neuwahlen höchstens mildern, aber nicht mehr verhindern. Die Partei, die in ihrer über 50-jährigen Geschichte nie unter 30 Prozent fiel, liegt jetzt in manchen Prognosen bei acht Prozent. Auch die Grünen als frühere Koalitionspartner leiden unter dem Vertrauensschwund der Wähler.

Während der Boomjahre, die Irland zum wirtschaftlich erfolgreichsten EU-Mitgliedsstaat machten, wurde Cowen als Hüter des "keltischen Tigers" gefeiert. Jetzt sehen ihn die Iren als Schuldigen für die Finanzkatastrophe. Unter seiner Führung pumpte die Regierung Gelder in den öffentlichen Dienst, als ob es kein Morgen gäbe. Unverantwortliche Bankkredite blähten den Bausektor auf, die Geldinstitute mussten schließlich mit Steuergeldern gerettet werden. Ende 2010 hatte Irland sein Haushaltsdefizit auf 32 Prozent gesteigert - die Eurozone erlaubt drei Prozent. Die Regierung erhöhte die Steuern und kürzte die Sozialleistungen. Doch trotz dieser drakonischen Maßnahmen musste Irland unter den Rettungsschirm der EU und des IWF schlüpfen.

Als Favorit bei der Wahl gilt die gemäßigt-konservative Fine-Gael-Partei. Der neue Fianna-Fail-Vorsitzende Micheál Martin deutete bereits an, eine Minderheitsregierung von Fine Gael eventuell zu dulden. Möglich scheint aber auch eine Koalition von Fine Gael mit der sozialdemokratischen Labour-Partei, die als zweitstärkste Kraft gehandelt wird.

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