Initiative von Wissenschaftlern Über 12 000 „Profis“ unterstützen die Schülerstreiks

Berlin · Die Wissenschaftler-Initiative für Klimaschutz findet großen Zulauf. Die Proteste der Jugendlichen sollen am Freitag einen neuen Höhepunkt erreichen.

Konkrete Klimapolitik sei „Sache für Profis“. FDP-Chef Christian Lindner dürfte sich über kaum einen seiner Sprüche so sehr ärgern, wie über diesen, mit dem er die Schüler-Aktion „Fridays for future“ (Freitags für die Zukunft) abqualifizierte. Dabei hatten die Liberalen im Wahlkampf noch plakatiert, dass Schulranzen die Welt veränderten, „nicht Aktenkoffer“. Jetzt sprangen allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz über 12 000 Wissenschaftler per Online-Unterzeichnung dem Anliegen der Schüler bei, die jeden Freitag für eine Klimawende streiken. Der trotzige Hinweis der Forscher: „Wir sind die Profis.“

Bei einer Pressekonferenz stellte sich die Initiative „scientists4future“ gestern in Berlin vor, angeführt von dem TV-Entertainer und Arzt Eckart von Hirschhausen. „Mutter Erde fiebert“, sagte er, und dass die Klimakrise „die größte Gesundheitsgefahr“ für die Menschheit sei. Man rechne mit der Zunahme von Al­lergien und Lungenkrankheiten, dazu kämen auch direkte Hitzetote. „Dieses Grundwissen ist überhaupt nicht verbreitet.“ Hirschhausen sagte, die 12 000 Unterzeichner seien „deutlich mehr als die 100 Lungen­ärzte“, die kürzlich die Grenzwerte des Diesel-Schadstoffausstoßes bezweifelt hatten. Dass es so viele seien, zeige auch, „wie groß der Frust dieser Wissenschaftler ist, die sich schon jahrelang mit dem Klimaschutz beschäftigen und immer wieder auf die Ursachen und Folgen hinweisen“. Am Freitag sollen die Streiks der Schüler in über 50 Ländern einem neuen Höhepunkt zustreben. Allein in Deutschland wird in 170 Städten demonstriert, darunter auch in Saarbrücken (siehe Seite B 2). Hirschhausen will selbst an der in Berlin geplanten Großdemonstration teilnehmen.

In ihrem Aufruf nennen die Wissenschaftler das Anliegen der Schüler „berechtigt und gut begründet“. Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel sei ihre Zukunft in Gefahr. Zu den Erstunterzeichnern gehören die Energieexpertin Claudia Kemfert, die Leiterin der Kohlekommission, Barbara Praetorius, Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und der Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker. Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte die Schülerstreiks klar abgelehnt. „Auch unterstützenswertes Engagement gehört in die Freizeit und rechtfertigt nicht das Schulschwänzen“, hatte sie erklärt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizministerin Katarina Barley (SPD) hatten hingegen Sympathie für die Aktionen erkennen lassen. In vielen Bundesländern wird derzeit über Sanktionen gegen die Jugendlichen diskutiert, die mit ihren Streiks formal die Schulpflicht verletzen.

Erfinderin der Aktion war im letzten Jahr die schwedische Schülerin Greta Thunberg (16). Inzwischen ist die Bewegung weltweit rasant angewachsen. Auch gibt es schon die „Parents for future“ (Eltern für die Zukunft), die den Nachwuchs unterstützen. Man werde mit den Aktionen erst aufhören, „wenn es einen Plan gibt, der uns zeigt, dass die Entscheidungsträger in der Politik verstanden haben“, sagte sehr selbstbewusst die Hamburger Aktivistin Luisa Neubauer (22) bei der Pressekonferenz der Wissenschaftler. „Aber nur wenn garantiert ist, dass er auch umgesetzt wird.“

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