Europa im Schweinsgalopp

Berlin · Nach Ansicht der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, Julia Klöckner, wird es wohl keine Rente mit 63 geben, wenn Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) weiter auf stur stellt. Mit Klöckner sprach unser Korrespondent Hagen Strauß.

Am Ende gesteht David McAllister: "Die große Bühne" des Parteitages wieder betreten zu können, "war für mich ein besonderer Moment". Letztes Jahr wurde McAllister als niedersächsischer Ministerpräsident abgewählt, danach war Trauerarbeit angesagt. Jetzt ist er als Spitzenkandidat der CDU für die Europawahl zurück im Ring.

Ein ähnliches Gefühl dürfte Peter Tauber gehabt haben, als er erfährt, dass er mit 97 Prozent zum Generalsekretär gewählt worden ist. Der kecke Hesse strahlt über beide Ohren. Aber für den Rest der rund 800 CDU-Delegierten halten sich die besonderen Momente in Grenzen. Zum Glück gibt es noch die große Koalition.

In der tristen Berliner Messehalle fertigt die Union Europa im Schweinsgalopp ab. Nur fünf Stunden benötigt sie. "Kurz, aber sehr erfolgreich", resümiert Parteichefin Angela Merkel. Das Programm für den europäischen Urnengang am 25. Mai wird von den Delegierten ohne großes Murren und fast beiläufig verabschiedet. Noch nicht einmal das Thema EU-Beitritt der Türkei sorgt für Aufregung. Einzig das Ja des Parteitages zur Abschaffung der Zeitumstellung in Europa nimmt man erstaunt zur Kenntnis - weil man von sich selbst verblüfft ist.

Konsequenterweise plätschert auch Merkels Rede dahin. Sie nutzt die Gelegenheit, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut wegen der Krim-Krise mit Wirtschaftssanktionen zu drohen. Sie lobt die Reformanstrengungen der Griechen. Ende der Woche reist Merkel nach Athen, da ist es klug, vorab auf Gut-Wetter zu machen. Was bei den Delegierten aber immer ankommt, ist nicht nur der Verweis auf die pro-europäische Tradition der Partei. Sondern auch darauf, dass Europa nicht alles regeln muss - Merkel lästert über Vorgaben für "Ölkännchen" oder für die "Wasserdurchlässigkeit von Duschköpfen". Den Schuss Populismus gegen Brüssel erwarten die CDU-Delegierten von ihrer Vorsitzenden.

Mittlerweile ist Merkel in der Union halt für alles zuständig. Also muss sie auch die Europawahl wuppen - der Wahlkampf wird voll auf die Kanzlerin zugeschnitten, obwohl sie nicht zur Wahl steht. Für Jean-Claude Juncker, Frontmann der Europäischen Konservativen, bleibt da allemal nur die Statistenrolle. Und für David McAllister wird die Bühne in den nächsten sieben Wochen dann doch wieder kleiner als erhofft.

Trotzdem gibt es Gesprächsbedarf auf dem Parteitag. Für knapp 30 Minuten. das liegt daran, dass eine schwarz-rote Koalition das Land regiert. Die scheinbare Dominanz der SPD in der Regierung stört viele in der Partei. Mittelstandschef Carsten Linnemann fordert die CDU auf, "nicht nur als Schadensbegrenzer unterwegs zu sein". Gesundheitsexperte Jens Spahn bezeichnet die Rente mit 63, also den vorgezogenen Ruhestand nach 45 Beitragsjahren, als "falsches Signal". Merkel verfolgt sichtlich entspannt die kurze Debatte. Für sie scheint sowieso zu gelten, was auf einem Zettel steht, den Generalsekretär Tauber nach eigenem Bekunden an seinem Badezimmerspiegel hängen hat: "Sei auch mal nett zu den Sozis. Sie sind unser Koalitionspartner."Der Unmut in der Union über die Anrechnung von Arbeitslosigkeit bei der Rente mit 63 ist groß - auch bei ihnen. Glauben Sie, das beeindruckt Arbeitsministerin Nahles?

Klöckner: Frau Nahles muss wissen: Wenn der Gesetzentwurf handwerklich nicht so ausgestaltet wird, dass ein absehbarer Missbrauch unterbunden wird, dann handelt sie verantwortungslos. Ich persönlich bin gegen jegliche Anrechnung von Arbeitslosenzeiten. Sollte es sie dennoch geben, dann nur sehr begrenzt. Außerdem dürfte die Zeit der Erwerbslosigkeit keinesfalls am Ende eines Berufslebens stehen. Sonst ist die Frühverrentungswelle vorprogrammiert.

Die SPD stellt aber auf stur. Was nun?

Klöckner: Die Rente mit 63 steht als unser gemeinsamer Kompromiss im Koalitionsvertrag. Aber es steht nicht drin, dass sie nach dem Modell Nahles ausgestaltet wird. Wenn unser Koalitionspartner das nicht versteht, dann gibt es wohl keine Einigung und wohl auch keine Rente mit 63.

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