Schröders überschatteter 70. Geburtstag

Berlin · Der Altkanzler wird 70 – zuletzt machte Gerhard Schröder mit seinen Äußerungen zu Russland Schlagzeilen. Seine Agenda 2010 hat Deutschland maßgeblich geprägt. Doch nicht alle Genossen wollen sie als Erfolg anerkennen.

Wladimir Putin wird dieses Mal nicht erwartet. Zum 60. Geburtstag des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder brachte der russische Präsident einen ganzen Kosakenchor mit. Zehn Jahre später ist Schröder Putin immer noch eng verbunden. Seine Äußerungen zu dessen Vorgehen auf der Krim haben bei vielen Bundestagsabgeordneten Kopfschütteln ausgelöst - während viele Bürger die Annexion der ukrainischen Halbinsel ähnlich milde bewerten. Schröder, der heute 70 Jahre alt wird, wolle im Fall Putin nicht mit erhobenen Zeigefinger agieren. "Ich habe selbst gegen das Völkerrecht verstoßen." Als er Tornados auf den Balkan schickte, die sich am Nato-Bombardement beteiligten, "ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte". Jedoch ging es damals um eine Intervention, um das Morden im Kosovo zu beenden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte jedwede Behauptung einer Ähnlichkeit zwischen dem Vorgehen im Kosovo und auf der Krim im Bundestag "beschämend". Das Protokoll notierte hier Beifall - auch von der SPD. Das in Deutschland bis heute hoch geschätzte Nein zum Irak-Krieg hat Schröder mit den Worten verteidigt: Es dürfe nicht das Recht des Stärkeren gelten, "die Stärke des Rechts" müsse der Maßstab sein.

In einem im Februar erschienen Interview-Buch geht es auch wieder um den "lupenreinen Demokraten" Putin. Jene Beschreibung haftet Schröder an wie wenig anderes. "Ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind", sagt der Altkanzler. Und räumt ein, dass die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes beim Gaspipeline-Projekt Nord Stream nach Ende der Kanzlerschaft vielleicht zu rasch gekommen sei. Der russische Staatskonzern Gazprom ist Mehrheitseigner von Nord Stream.

Schröder ist für viele noch nicht der Elder Statesman wie Helmut Schmidt. Er scheint sein großes Thema nach Ende der Amtszeit noch nicht gefunden zu haben. Aber im Wahlkampf zeigte er vergangenes Jahr nochmals, was ihn auszeichnet: Volksnähe, Überzeugungskraft, Chuzpe. In Anlehnung an Martin Luther rief er den Genossen zu: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz." Rückblickend sieht er es als schweren Fehler an, dass die SPD mit Steuererhöhungen angetreten ist, einen Umverteilungswahlkampf habe man nie gewonnen. "Erfolgreiche Wahlkämpfe sehen anders aus", meint er. Und verweist auf Wahlkämpfe von Willy Brandt, Helmut Schmidt - und ihm selbst.

Bis heute hadert Schröder damit, dass sich die SPD nicht offensiver zu den positiven Folgen seiner Reformagenda 2010 bekannt hat. Viele hätten diese für eine Zumutung gehalten. Heute wird sie in Frankreich als Vorbild gefeiert. Und Merkel verdankt die guten Arbeitsmarktdaten auch Schröders Agenda. Zuletzt zeigte sich er sich nachgiebig, was Nachbesserungen betraf. Die Reformen seien "nicht die Zehn Gebote". Aber er sagt auch: "Hätten wir die Erfolge der Agenda 2010 für uns reklamiert, dann wäre die SPD die erfolgreichste sozialdemokratische Partei in Europa." Aber der Widerspruch zwischen der reinen Lehre und der Realität als Regierungspartei habe die SPD schon immer geprägt.

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