Die Polizei kannte die Killer von Paris

Paris · Wo sind die Männer, die in Paris zwölf Menschen getötet haben? Die Polizei verfolgte gestern eine heiße Spur in Nordfrankreich, doch die Brüder Chérif (32) und Saïd Kouachi (34) waren auch am Abend noch auf der Flucht.

Durchsuchungen in Reims und Straßburg, Polizisten mit Schnellfeuergewehren an den Ausfallstraßen von Paris , Elite-Einheiten nordöstlich der Hauptstadt: Nach dem blutigen Anschlag auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo " hat die französische Polizei gestern landesweit die beiden hauptverdächtigen Brüder Saïd (34) und Chérif (32) Kouachi gejagt. Die Fahndung konzentrierte sich am Nachmittag auf einen Ort rund 80 Kilometer von Paris , wo die beiden schwer bewaffneten Dschihadisten gesehen worden waren. Und in Paris suchte die Polizei fieberhaft nach einem weiteren Attentäter. Die Beamten nahmen neun Personen aus dem Umfeld der Terroristen in Gewahrsam, wie Innenminister Bernard Cazeneuve am Abend bekannt gab.

Die 32 und 34 Jahre alten Brüder Kouachi, die einen Ausweis in ihrem Fluchtauto liegen ließen, waren für die Polizei keine Unbekannten. Chérif, der Jüngere, war 2008 verurteilt worden, weil er an der Entsendung von islamistischen Kämpfern in den Irak beteiligt war. Zwischen 2003 und 2005 habe er ein Dutzend junge Franzosen dazu gebracht, im Irak zu kämpfen, schreibt "Le Monde ". Schon davor soll Chérif Kouachi, der als der radikalere der beiden gilt, Anschläge auf jüdische Geschäfte im Norden von Paris geplant haben.

Polizei und Geheimdienste in Frankreich stehen nicht allein deshalb immens unter Druck. Schon seit Monaten war in Frankreich vor einem Anschlag von Islamisten gewarnt worden. Dass nun just die Zeitung "Charlie Hebdo ", die wegen ihrer Mohammed-Karikaturen schon lange bedroht wird, zum Ziel eines Anschlags werden konnte, lässt manch einen an den Sicherheitsbehörden zweifeln. "Nur weil man bekannt ist, wird man ja nicht ständig überwacht", mahnt indes der Direktor des französischen Zentrums für Geheimdienstforschung, Eric Dénécé, zur Zurückhaltung. Irgendwann höre die Überwachung auf, wenn sich ein Verdächtiger schlau genug anstelle. "Das sind die unvermeidlichen Löcher in den Maschen des Netzes." Hunderte potenzieller oder tatsächlicher Dschihadisten sind in Frankreich registriert. Chérif Kouachi wurde im Mai 2008 zu drei Jahren Haft verurteilt, davon 18 Monate auf Bewährung. Im Gefängnis lernte der gebürtige Pariser seinen mutmaßlichen Mentor Djamel Beghal kennen, der eine zehnjährige Haftstrafe wegen Anschlagsplänen absitzt. Als Kouachi aus dem Gefängnis kam, versuchte er, ein unauffälliges Leben zu führen. Eine Zeit lang lebte er wohl im beschaulichen Reims. Weil er einem anderen Islamisten bei der Flucht aus dem Gefängnis geholfen haben soll, wurde er 2010 erneut festgenommen, aber aus Mangel an Beweisen fünf Monate später freigelassen.

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