Die neue, alte Idee mit der Bayern-CDU

Notfalls bis nach Karlsruhe wollen zwei Bayern ziehen, damit sie im CSU-Staat bei der Bundestagswahl auch die CDU wählen können. Grund: In der Flüchtlingspolitik sind sie pro Merkel und contra Seehofer. Erfolg werden sie wohl nicht haben. Aber die Unionskrise schwelt damit weiter.

Eine eigene CDU in Bayern stand schon einmal fast bevor: 1976 knirschte es zwischen CDU-Chef Kohl (links) und CSU-Boss Strauß gewaltig. Der Bruch der Union konnte dann aber verhindert werden. Foto: Sanden/dpa

Eine eigene CDU in Bayern stand schon einmal fast bevor: 1976 knirschte es zwischen CDU-Chef Kohl (links) und CSU-Boss Strauß gewaltig. Der Bruch der Union konnte dann aber verhindert werden. Foto: Sanden/dpa

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Der Nürnberger Rechtsanwalt Rainer Roth hat es satt: Sollte bei der Bundestagswahl 2017 in Bayern neben der CSU nicht auch die CDU wählbar sein, will er klagen. "Die Abgabe der Zweitstimme an die CDU muss bundesweit möglich sein. Das ist der Grundsatz freier Wahlen für etablierte Parteien", sagt Roth. Er führe keinen Rachefeldzug gegen die in Bayern allgegenwärtige CSU , sondern sehe schlicht seine Grundrechte beschädigt.

Roth hat auch ein praktisches Ziel: Er will die in der CSU nicht besonders beliebte Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) unterstützen. Dies sei wegen der Meinungsunterschiede in der Flüchtlingspolitik durch ein Kreuz bei der CSU nicht möglich. Und er sei mit der Meinung nicht alleine im Freistaat: "Ich erhalte sehr viele zustimmende Kommentare", sagt er.

Dass er im Falle eines Sieges vor Gericht die kriselnde Union weiter in Zugzwang bringen könnte, dessen ist er sich bewusst. Das Machtgefüge mit klar getrennten Wahlorten der beiden Parteien würde ausgehebelt, die CSU könnte im Gegenzug auch bundesweit antreten. "Dadurch, dass die CDU nicht wählbar ist, wird mir und sämtlichen Wählern in Bayern eine Möglichkeit genommen, die das Grundgesetz ausdrücklich vorsieht", betont Roth. Ein Parteibuch habe er nicht mehr. Früher sei er SPD-Mitglied gewesen, das sei lange her. Seine Kreuze habe er aber auch schon bei der FDP und aus Not auch bei der CSU gemacht. Damit soll nun Schluss sein. So der Plan. In den Parteizentralen von CDU und CSU ist Roths Vorhaben längst bekannt. Echte Sorgen macht man sich dort nicht.

Anders war das bei Michael Kosmala aus Amberg in der Oberpfalz. "Wenn sich alle aufregen, mache ich genau das Richtige", sagt der 57-jährige ehemalige CSU-Parteigänger. Auch sein Motiv sei der "diskreditierende" Umgang der CSU und ihres Vorsitzenden Horst Seehofer mit Kanzlerin Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik . Mit seinem Versuch, einen CDU-Landesverband Bayern zu gründen, hat sich Kosmala Ärger eingehandelt. Die CDU hat ihm diesen Versuch und einen entsprechenden Internet-Auftritt vom Landgericht Bonn verbieten lassen - bei Androhung eines Ordnungsgelds von bis zu 250 000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Kosmala will allerdings weitermachen. "Notfalls gehe ich bis vor das Bundesverfassungsgericht ."

Das behält sich auch Anwalt Roth vor. Zunächst schrieb er im September dem Bundeswahlleiter in Wiesbaden. Auf acht Seiten begründet Roth, warum die CDU bei Bundestagswahlen auch in Bayern wählbar sein müsse. Die Rede ist von den Grundgesetzartikeln 20 und 38, von einem "Klassenwahlrecht" nach Wohnsitz. Die Antwort hatte fünf Seiten: "Ihrem Antrag kann nicht entsprochen werden. Weder ist eine Rechtsgrundlage vorhanden, auf die Sie Ihren Anspruch stützen könnten, noch ist der Bundeswahlleiter für Wahlprüfungsbeschwerden zuständig", hieß es darin.

So sieht es auch der Münsteraner Politikwissenschaftler Wichard Woyke: "Parteien sind eigenverantwortliche Wahlvereine, sie gründen sich selbst und bestimmen auch das Gebiet, in dem sie antreten." Eine juristische Handhabe könne er nicht erkennen. "Die CSU steht in Bayern bei der Zweitstimmenabgabe stellvertretend für CDU , ist Teil der Unionsgemeinschaft." Wer in Bayern den innigsten Herzenswunsch habe, die CDU wählen zu wollen, dem bleibe nur der Umzug. "So wie es umgekehrt schon Menschen gemacht haben, die die CSU wählen wollten".

Roth sieht das anders und hat gestern am Verwaltungsgericht Wiesbaden beantragt, die Entscheidung des Bundeswahlleiters aufzuheben. Sollte er das Gericht überzeugen, könnte es den Antrag direkt beim Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

Sollte dies nicht geschehen und sich die Wahlmöglichkeit nicht von alleine verändern, werde er die Verfassungsbeschwerde selbst in Karlsruhe einreichen. "Denn dann ist mein Recht auf eine freie Wahl verletzt", sagt er. "Die dritte Möglichkeit wäre es, die Wahl nachträglich anzufechten." Dann müsste im Falle von Roths Sieg die Bundestagswahl wiederholt werden. "Das ist aber nicht mein Ziel." Dem streitbaren Juristen ist klar, dass die CDU nicht zum Antritt in Bayern gezwungen werden kann, "entscheidend ist aber, dass die CDU als bundesweit etablierte Partei wählbar sein muss. Das ist im Grundgesetz klar geregelt".

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Hintergrund Eine Bayern-CDU? Und eine gesamtdeutsche CSU ? Aufregung um diese Fragen hat es schon oft gegeben - denn die beiden Unionsschwestern haben seit jeher ein schwieriges Verhältnis zueinander. Schon in den Nachkriegsjahren diskutierte die CSU heftig, ob sie sich der CDU anschließen oder allein auf Bayern setzen sollte. Besonders schlecht war die Stimmung in den 70ern und 80ern - CSU-Chef Franz Josef Strauß hielt CDU-Chef Helmut Kohl für unfähig. Im Herbst 1976 drohte Strauß bei der ersten Kreuther Klausur, die seit 1949 bestehende Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufzulösen und eine eigene Fraktion zu gründen. Prompt kündigte die CDU die Gründung einer Bayern-CDU an. Nach einigen Spitzengesprächen zog die CSU ihren Kreuther Beschluss zurück. dpa

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