Der alte Mann und die Macht

An der breiten Straße zum Flughafen Kairo hat ein ägyptischer Regimekritiker auf eine Mauer gesprüht: "Mubarak - hier geht es zum Flughafen." Daneben hat er einen Pfeil gemalt. Der Präsidentenpalast, in dem sich Husni Mubarak mit seiner Familie verschanzt hat, liegt nur 300 Meter entfernt von dieser Mauer

An der breiten Straße zum Flughafen Kairo hat ein ägyptischer Regimekritiker auf eine Mauer gesprüht: "Mubarak - hier geht es zum Flughafen." Daneben hat er einen Pfeil gemalt. Der Präsidentenpalast, in dem sich Husni Mubarak mit seiner Familie verschanzt hat, liegt nur 300 Meter entfernt von dieser Mauer. Mubarak sagt, er habe die Nase voll und würde am liebsten jetzt schon das Handtuch werfen. Das Einzige, was ihn davon abhalte, sei seine Angst vor dem Chaos, das ohne ihn in Ägypten ausbrechen würde. Außerdem behauptet er, im Falle seines sofortigen Rücktritts würden die Muslimbrüder die Macht an sich reißen.Mubaraks Äußerungen zeigen, dass der alte Mann noch immer glaubt, er sei Teil der Lösung, während er aus Sicht der meisten Ägypter der Hauptverursacher der aktuellen Krise ist. Nur in einem Punkt hat Mubarak sicher Recht: Die ägyptischen Muslimbrüder, die vom Regime jahrzehntelang drangsaliert worden waren, wittern jetzt Morgenluft. Sie standen all die Jahre immer ganz vorne an der Front im Kampf gegen das Mubarak-Regime und mussten die meisten Schläge einstecken. Ihre Funktionäre landeten im Gefängnis. Ihre Anhänger wurden bei den Wahlen von Schlägern der Regierungspartei verprügelt.

USA in der Zwickmühle

Diesmal haben sie es anders gemacht. In den ersten Tagen der Krise operierten sie unauffällig in der zweiten Reihe hinter der Facebook-Jugend, den Alt-Linken und den Akademikern. Viele Muslimbrüder waren zwar auch in den vergangenen Tagen schon bei den Demonstrationen dabei. Doch sie gaben sich nicht als Mitglieder der straff organisierten islamistischen Bruderschaft zu erkennen. Erst am Freitag zeigten sie sich offen und in großer Zahl auf dem Tahrir-Platz.

In der Nacht hatten sie eine Erklärung veröffentlicht, in der sie ihren Machtanspruch erstmals deutlich formulierten. "Die Muslimbruderschaft betont, dass sie absolut einverstanden ist mit dem klar erkennbaren Willen des Volkes, Ägypten zu einem zivilen, demokratischen Staat zu machen, der sich auf die Prinzipien des Islam beruft", heißt es darin. Die Bruderschaft erklärte, sie habe keine "eigenen geheimen Pläne", sie stehe aber bereit, "um dem Volk zu dienen".

Die US-Regierung versucht gegenwärtig hinter den Kulissen, zusammen mit der ägyptischen Armee und einigen reformwilligen Kräften des Mubarak-Regimes, weiteres Blutvergießen zu vermeiden und eine Übergangslösung zu finden. Den Amerikanern ist klar, dass ein Neuanfang ganz ohne die Muslimbrüder kaum möglich sein wird. Doch sie sind in einer Zwickmühle, denn der Hass auf Israel ist einer der wichtigsten ideologischen Pfeiler der Islamisten-Bewegung - und die Sicherheit Israels ist aus Sicht von Washington eine rote Linie, die niemand überschreiten darf.

Kluft im Mubarak-Regime

Weniger deutlich zu erkennen ist dagegen momentan die Linie, die quer durch den Apparat des Mubarak-Regimes verläuft. Klar ist allerdings, dass es eine Gruppe von Betonköpfen gibt, die mit Gewalt versuchen, die alte Zeit zu bewahren und ihre Pfründe in Sicherheit zu bringen. Und dass auf der anderen Seite Kräfte stehen, die eingesehen haben, dass ein Wandel unausweichlich ist.

Zur ersten Gruppe dürften wohl Außenminister Ahmed Abul Gheit und der Generalsekretär von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP), Safwat al-Scherif, die Clique der korrupten neureichen Geschäftsleute, der geschasste Innenminister Habib al-Adli und Teile des Sicherheitsapparates gehören. Auf der anderen Seite stehen - so sieht es zumindest im Moment aus - Teile der Armeeführung, der neu ernannte Regierungschef Ahmed Schafik und möglicherweise auch Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi. Mubarak und der von ihm zum Vizepräsidenten ernannte ehemalige Geheimdienstchef Omar Suleiman lavieren momentan irgendwo in der Mitte.

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