Steinbrück übt Diplomatie

Berlin. Wer das zwischenzeitlich vergessen haben sollte: Peer Steinbrück kann Englisch - richtig gut sogar. So gut, dass der neue SPD-Kanzlerkandidat seinen ersten größeren Auftritt zur Außenpolitik gestern in Berlin komplett auf Englisch bestritt

Berlin. Wer das zwischenzeitlich vergessen haben sollte: Peer Steinbrück kann Englisch - richtig gut sogar. So gut, dass der neue SPD-Kanzlerkandidat seinen ersten größeren Auftritt zur Außenpolitik gestern in Berlin komplett auf Englisch bestritt. In der einstündigen Podiumsdiskussion, die von der unabhängigen Körber-Stiftung gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt veranstaltet wurde, sprach der frühere Bundesfinanzminister kein einziges deutsches Wort.Vor allem ging es dabei darum, wie Europa auf die Veränderungen in der weltweiten Mächte-Architektur reagieren kann. Bei der Gelegenheit machte Steinbrück deutlich, dass er als Kanzler hohen Wert darauf legen würde, "very diplomatic" ("sehr diplomatisch") zu sein - keine Selbstverständlichkeit für einen, der aus der großen Koalition nicht gerade als Freund der undeutlichen Worte bekannt ist.

Anlass für die Klarstellung war eine kurze Debatte über die Frage, wie der Westen mit China umgehen soll. Steinbrück sagte dazu: "Man muss diese Probleme professionell lösen. Man muss mit Chinas Offiziellen über die Verletzung der Menschenrechte sprechen. Sehr diplomatisch. Und nicht in der Öffentlichkeit, wenn man Erfolg haben will." Der SPD-Mann verwies auch auf die enorme Bedeutung der Volksrepublik als Wirtschaftsmacht. Das ähnelt sehr der Linie von Angela Merkel (CDU).

Auch sonst wurden auf außenpolitischem Gebiet noch keine allzu großen Unterschiede deutlich. Steinbrück lobte die EU trotz aller gegenwärtigen Probleme als Modell für die Lösung von politischen Konflikten in anderen Teilen der Welt. Für Asien - wo sich China und Japan gerade über einige unbewohnte Inseln streiten - könne die EU eine "Blaupause" sein. Vom amtierenden Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat man das schon ähnlich gehört.

Von den anderen Teilnehmern der Diskussionsrunde bekam Steinbrück dafür viel Zustimmung. Vor allem Australiens ehemaliger Premierminister Kevin Rudd ermunterte die Europäer, sich in Asien mehr Gehör zu verschaffen. Gerade Deutschland als große Wirtschaftsmacht sei dabei besonders gefragt.

Steinbrück antwortete mit der Feststellung, dass sich Europa leider schon seit vielen Jahren ohne großen Erfolg an der Entwicklung einer gemeinsamen Außenpolitik versuche, "nicht nur gegenüber Asien, sondern vor allem auch gegenüber dem Nahen Osten, den Palästinensern, Israel, dem Iran". Jetzt müsse Europa endlich ein schlüssiges außenpolitisches Konzept entwickeln. Bei solchen Veranstaltungen stützt sich Steinbrück noch sehr auf seine internationalen Erfahrungen als Finanzminister. Erster Ansprechpartner für die Außenpolitik ist in der SPD-Spitze immer noch der frühere Ressortchef Frank-Walter Steinmeier. Der heutige Fraktionschef, der selbst nicht nochmals gegen Merkel antreten wollte, wird auch einen herausgehobenen Platz im "Kompetenzteam" bekommen, das Steinbrück im Frühjahr präsentieren will. Steinbrück ließ aber keinen Zweifel daran, wer im Falle seiner Kanzlerschaft in der Außenpolitik letztlich das Sagen hätte. Durch die Euro-Krise und die vielen Gipfel sei der Einfluss "derjenigen oder desjenigen" im Kanzleramt gewachsen.

In einem Nebensatz über Merkel verriet er, wer aus seiner Sicht sonst noch zählt: "Sie beherrscht das europäische Parkett - mit abnehmender Bedeutung des Außenministers, mit einer marginalen Rolle des Wirtschaftsministers und einer dominanten Rolle des Finanzministers." Sehr diplomatisch war das nicht.

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