Nahles und AKK vor den Wahlen unter Druck Von Putschgerüchten und Fehltritten

Berlin · Der Zeitpunkt könnte nicht ungünstiger sein für die Partei-Chefinnen: Kurz vor dem großen Wahltag geraten Andrea Nahles (SPD) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) parteiintern mächtig unter Druck.

 Bei den Genossen ist der Frust über Andrea Nahles angeblich groß. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge soll die SPD-Chefin ihren Vorgänger Martin Schulz kürzlich wegen eines möglichen Putschversuchs zur Rede gestellt haben.

Bei den Genossen ist der Frust über Andrea Nahles angeblich groß. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge soll die SPD-Chefin ihren Vorgänger Martin Schulz kürzlich wegen eines möglichen Putschversuchs zur Rede gestellt haben.

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Manche Dinge geschehen einfach zur Unzeit. Andrea Nahles und die SPD bekommen dies jetzt zu spüren, aber auch die CDU und deren Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Ausgerechnet so kurz vor der Europawahl rumort es in beiden Parteien – es gibt Putschgerüchte und Fehltritte.

Für SPD-Chefin Nahles kam es am Freitag dicke. Der „Spiegel“ berichtete, sie solle bei einem vertraulichen Treffen Ende vergangener Woche ihren Vorgänger Martin Schulz wegen eines möglichen Putschversuchs zur Rede gestellt haben. Er wolle sie an der Fraktionsspitze ablösen, lautete wohl der Vorwurf. Schulz habe demnach in dem Gespräch mit Nahles ein Szenario entworfen, wonach sie wieder das Arbeitsministerium übernehmen könne, um öffentlich mit einem klaren Thema zu punkten. Auch soll er zuvor in zahlreichen Gesprächen seine Chancen sondiert haben. Weder Nahles noch Schulz wollten sich gestern auf Nachfrage zu den Spekulationen äußern. Andere schon: „Ich glaube all den Dingen, die da berichtet werden, kein Stück“, so Parteivize Ralf Stegner. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, meinte: „An der Sache ist nichts dran.“

Allerdings gibt es schon länger Gerüchte über einen Aufstand gegen Nahles nach einer vermasselten Europawahl und einer satten Niederlage beim zeitgleich stattfindenden Urnengang in Bremen, wo die SPD seit 70 Jahren regiert. Abgeordnete nahmen kein Blatt vor den Mund: „Die Unzufriedenheit ist groß“, meinte einer. Ein anderer Insider erklärte: „Eigentlich wird Nahles nur geduldet.“ Sehr groß scheint der Frust zu sein, dass es der 48-Jährigen bisher in ihrer Doppelfunktion nicht gelungen ist, die SPD wieder auf Vordermann zu bringen. Im Gegenteil, in den Umfragen geht es für die Genossen weiter bergab. Hinzu kommen viele Fehler der Vorsitzenden: Ihr Umgang mit der Maaßen-Affäre oder ihre zum Teil zu jovialen Auftritte gehören dazu. Es gibt aber auch welche, die sie loben – so habe Nahles zum Beispiel den innerparteilichen Prozess bei der Abkehr von Hartz IV hin zu einem neuen Arbeitsmarktkonzept sehr gut moderiert, wurde unlängst betont.

Martin Schulz hatte als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD überhaupt eingefahren. Gleichwohl ist er in der SPD als Europawahlkämpfer gefragt, auch betreibt er ihn abseits der Parteispitze. Seit Wochen kursieren neben Schulz die Namen mehrerer möglicher Nahles-Nachfolger an der Fraktionsspitze, vor allem der des nordrhein-westfälischen Abgeordneten Achim Post. Nun fürchten viele Genossen, dass die Debatte um Nahles der Partei auf den letzten Metern bis zur Wahl am Sonntag schaden könnte.

In der Union wurde mit Spott auf die Spekulation reagiert: Die Wahlverliererin Nahles werde abgelöst, damit „der Super-Wahlverlierer Schulz übernimmt“, hieß es. Gleichwohl ist die CDU derzeit nicht viel besser dran. Ihr Erscheinungsbild ist kurz vor dem Urnengang ebenfalls angekratzt durch den Umgang mit dem Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo. „Das war ein katastrophales Krisenmanagement“, verlautete es aus der Partei. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak habe versagt, und auch die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer habe einen erneuten Fehltritt hingelegt. Ihr Hinweis, die CDU sei wohl auch für die „sieben biblischen Plagen“ verantwortlich, obwohl es zehn sind, sei „peinlich“ gewesen.

Es wird also gezittert in Berlin. Der Ausgang der Europawahl könnte das wacklige Regierungsbündnis  in neue Turbulenzen stürzen. Kanzlerin Angela Merkel hat sich aus dem Wahlkampf komplett herausgehalten und das Feld Annegret Kramp-Karrenbauer überlassen. Das Ergebnis der CDU geht voll mit Parteichefin Kramp-Karrenbauer nach Hause. Verliert die Union klar, werden Fragen laut, ob sie überhaupt die Richtige ist, ob es jetzt nicht noch zügig zu einem Wechsel im Kanzleramt  kommen muss, damit AKK Boden gut machen kann. Nur wie? Und mit welchem Koalitionspartner? Außerdem tendiert Merkels Neigung zum Amtsverzicht gen Null.

Nach dem Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo wird Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer – ebenso wie Generalsekretär Paul Ziemiak – parteiintern ein katastrophales Krisenmanagement vorgeworfen.

Nach dem Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo wird Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer – ebenso wie Generalsekretär Paul Ziemiak – parteiintern ein katastrophales Krisenmanagement vorgeworfen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Tiefausläufer der Europawahl werden die SPD wohl noch mehr durchrütteln. Niemand rechnet im Willy-Brandt-Haus damit, dass man das Ergebnis von vor fünf Jahren mit 27 Prozent auch nur ansatzweise wieder einfahren kann.

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